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Freude



Predigt vom 10. Oktober 2004, gehalten von Pfarrer Jakob Vetsch in der Kirche von Zürich-Matthäus

"Ein fröhliches Herz ist die beste Arznei;
ein gedrücktes Gemüt dörrt das Gebein aus."
Sprüche 17,22


Wenn wir uns heute der Freude und der Fröhlichkeit zuwenden, so dürfen wir wißen, daß dies für das Christentum etwas ganz Zentrales und keine Nebensächlichkeit darstellt. Der berühmte Urwalddoktor, Theologe und Musiker Albert Schweitzer drückte es einmal so aus:

"Fröhlichkeit gehört zum Christentum wie der Duft zu einer Blume."

Auch der heilige Franz von Assisi legte aus einem ganz bestimmten Grund großen Wert auf die Fröhlichkeit: Das sicherste Mittel gegen die tausend Schliche und Fallen des Bösen, so versicherte der Heilige, sei nämlich die Fröhlichkeit des Geistes. Er sagte: "Das ist der grösste Triumph des Teufels, wenn er einem Knechte Gottes die Geistesfreude rauben kann. Er führt einen feinen Staub mit sich, den streut er in kleinen Dosen durch die Ritzen des Gewissens, um die reine Gesinnung und den Glanz der Seele zu trüben. Die Freude aber, die das Herz des Geistesmenschen erfüllt, macht jenes todbringende Gift der Schlange zunichte. Der Teufel kann einem Knecht Christi gegenüber nichts ausrichten, wenn in diesem die heilige Fröhlichkeit des Geistes herrscht. Ist jedoch einem weinerlich zumute und meint er verlassen zu sein in seinem Kummer, so reibt ihn entweder die Traurigkeit auf, oder er wendet sich eitlen Vergnügen zu."
Darum war dem Heiligen stets daran gelegen, ein heiteres Herz zu haben und jene Salbung des Geistes zu bewahren, die vom Öl der Freude gespendet wird. Mit grösster Sorgfalt mied er die seelische Krankheit der Melancholie, und sobald ein Hauch davon sein Herz berührte, nahm er sogleich seine Zuflucht zum Gebet.
Er pflegte zu sagen: "Wenn ein Knecht Gottes, wie es vorkommen kann, in seinem Gemüte etwas verwirrt wurde, so muss er sich sogleich ins Gebet begeben. Und so lange sollte er vor dem Antlitz des erhabenenen Vaters verweilen, bis er wieder die vorige Freude hat, von der so viel für das Heil abhängt. Denn wenn sich die Traurigkeit festsetzt, wächst das Übel; und sofern es sich nicht in Tränen löst, bleibt ein dauernder Schaden zurück."
So sprach der selige Franz einmal einem Bruder, der ihn begleitete, sein Missfallen aus, weil er ein betrübtes Gesicht machte. Er sprach zu ihm: "Warum trägst du deine Betrübnis zur Schau? Hast du Gott beleidigt, so soll der Schmerz darüber etwas zwischen dir und Gott sein. Bitte ihn, daß er in seiner Barmherzigkeit dir vergebe! Dann gönne deinem Herzen wieder die Freude über die Seligkeit, die deine Sünde dir genommen hatte. Vor mir aber und vor den andern zeige dich immer fröhlich! Denn es schickt sich nicht für den Knecht Gottes, sich traurig zu zeigen und ein betrübtes Gesicht zu machen."

Damit soll keineswegs gesagt sein, daß Leid, Schmerz, Trauer und Tränen verdrängt werden müssen. Durch sie hindurch stoßen wir oft erst zur echten Freude vor. Und eben so dürfen wir damit umgehen, damit wir immer wieder zur wahren Quelle der Freude finden.
Keinesfalls kann gemeint sein, daß wir Christen im Trübsalblasen verharren sollen, denn dadurch bekäme nur das Unheilvolle überhand. Ganz in diesem Sinne rät auch der frühchristliche Schriftsteller und Gelehrte Hermas mit folgenden Worten zur Fröhlichkeit: "Leg die Traurigkeit  von dir ab, denn die Traurigkeit ist die Schwester von Halbherzigkeit und Bitterkeit. Schmücke dich mit Freude, die in den Augen Gottes stets Wohlwollen findet und von ihm gern gesehen wird. Jeder, der voller Freude ist, arbeitet und denkt Dinge, die gut sind, und er verachtet die Traurigkeit. Denn in Gott leben alle, welche die Traurigkeit von sich abgelegt und sich mit aller Freude geschmückt haben."

Von der praktischen Seite her sieht es der englische Gentleman und Gründer der Pfadfinderbewegung, Lord Robert Baden-Powell, wenn er sagt:

"Das einzige, was im Leben zählt, ist,
anderen etwas Glück zu bereiten."

Selbstverständlich wirkt der freudvolle Mensch auf seine Umgebung erhebender als der Ewig-Unzufriedene. Und ich glaube, dass wir eben auch das sind, was wir anderen sein können.
Woher aber nehmen wir die Motivation dazu; woher nehmen wir die Freude, die weder täuscht noch ent-täuscht? Wir fragen nach der unversiegbaren Quelle der Freude. Ich lese dazu das Bibelwort aus Johannes 15,10-11 und einige tiefe Gedanken von Mutter Teresa zum Stichwort "Freude":

"Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird."
Johannes-Evangelium 15,10-11

"Natürlich wird unsere Freude vollkommen, wenn wir in seiner Liebe bleiben; denn seine Liebe ist persönlich, innerlich, wirklich, lebendig, feinfühlig, treu.
Als Jesus geboren war, verkündeten die Engel voll Freuden sein Kommen: ‚Frohlocket!’ Freude, denn Jesus ist geboren. Die Hirten und die anderen, die um Jesus waren, schienen Freude auszustrahlen. Die Freude, von der Jesus selbst sagte, dass er gekommen sei, sie zu geben: ‚ ... damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.’
Der Apostel Paulus spricht oft von dieser Freude, und bei der Taufe sagt der Priester zum Neugetauften: ‚Geh, und diene der Kirche mit Freude!’
Ein freudvolles Herz ist wie ein Sonnenstrahl der Liebe Gottes, die Hoffnung auf das ewige Glück, ein brennendes göttliches Feuer. Wenn wir Jesus Raum geben, damit er in uns leben kann, werden wir diese Freude erfahren. Und wenn wir beten, werden auch wir zu einem Strahl der Liebe Gottes; bei uns zu Hause, dort, wo wir leben, und schliesslich für die ganze, grosse Welt.
Die Welt ist hungrig nach der Freude, die aus einem reinen Herzen kommt; denn wer ein reines Herz hat, kann Gott schauen."

Drei Worte sind es, die wir eindringlich vernehmen. Sie führen zur Quelle der Freude, und sie heißen: Gebote, Liebe, Gebet.
Es wird kaum sehr populär sein, auf die 10 Gebote und das Gebot der Liebe hinzuweisen, das Jesus uns gegeben hat. Wenn wir uns aber richtig freuen wollen, ist es wichtig, dass wir unser Leben aufbauen wie ein Haus: das Fundament muß stimmen, sonst wird es nie etwas "G´freutes".
Das höchste Gebot ist die Liebe. Jesus sagte, daran werde man seine Jünger erkennen, daß sie Liebe untereinander üben. Glaubensfanatiker tun sich schwer damit, aber es ist so. Der Apostel Paulus sagt es ausdrücklich:

"Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
aber am größten unter ihnen ist die Liebe."

Das ist ja die Frohe Botschaft, das Evangelium Jesu Christi: die Kunde vom liebenden und gnädigen Gott. Daher dürfen wir die Liebe nehmen, damit wir genug davon erhalten, für uns selbst und für andere. Das bedeutet keineswegs, zu allem Ja und Amen sagen, mit allem einverstanden sein und immer nachgeben. Aber es bedeutet steten Einsatz für das Gute. In den Johannes-Briefen lesen wir:

"Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm."

Die Geduld und die Kraft dazu erhalten wir im Gebet. Wir erinnern uns an den Tip des Heiligen von Assisi, so lange vor dem Antlitz des erhabenen Vaters zu verweilen, bis wieder die vorige Freude da ist, von der so viel für das Heil abhängt. Im alttestamentlichen Buch der Sprüche (eine Spruchsammlung, die einstmals nur für die Zöglinge an den Höfen gedacht war und nun durch die Bibel uns allen erschlossen ist) heisst es:

"Ein fröhliches Herz ist die beste Arznei."

So sind die Gebote, die Liebe und das Gebet die Wegweiser zur Nachfolge Jesu und zur wahren Freude. Zum Schluß der Predigt noch etwas Konkretes von Mutter Teresa, das zur täglichen Freude beitragen kann: Sie hatte ihre mittlerweile 3´500 Schwestern in aller Welt daran gewöhnt, nie an den morgigen Tag zu denken. In ihren Regeln schreibt sie: "Wir müßen jedes künftige Projekt dem allmächtigen Gott anvertrauen. Denn gestern ist vorbei, morgen ist noch nicht da, und wir haben nur den heutigen Tag, um Jesus bekannt zu machen, ihn zu lieben und ihm zu dienen."
Ich glaube, das ist untrennbar mit der wahren Freude verbunden, daß wir es einüben, im Jetzt zu leben, hier und heute voll da zu sein. Unser Meister selbst hat größten Wert darauf gelegt und uns ausdrücklich ermuntert, so zu leben: sich keine Sorgen um den morgigen Tag zu machen und zu wirken, solange es Tag ist, denn es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.



Freude und Mitfreude - Eine Predigt zu Philipperbrief 4,4-5
Fröhlichkeit


last update: 31.08.2015