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HANS SULSER-CORRODI (1931-99)

"... und ich würde die Qualität dieses Weines durchaus mit dem Kunstwerk eines Dombaus vergleichen!" Mit diesem Satz hat der Laienprediger und Bauer Hans Sulser manchen gestandenen Pfarrer verdutzt. Mit Schalk - und zugleich tiefem Ernst - beharrte er darauf, dass das Sakrale nicht allein der Kirche gehört und umgekehrt das Profane nicht im Alltagsleben gefangen sein muss. Das machte wohl die Atmosphäre aus, die um ihn herum herrschte, die den Dingen den Platz zuordnete, der ihnen gehört, und die so wohltuend war im angeregten Gespräch und an Sitzungen der verschiedensten Gremien, denen Hans Sulser im Laufe seines Lebens angehörte.

Von Dorothee Sölle war die Rede, von Jürgen Moltmann und Kurt Marti - alles moderne Theologen. Und man hörte jiddische Lieder dazu - Leid und Härte des Lebens wurden nicht ausgeklammert bei allem Genuss, den uns der weise Prediger Salomo zu nehmen auch empfohlen hat. Dieses selten gewordene "savoir vivre" hat in der Begegnung mit dem eigengeprägten Bauern, der seinem Unmut auch mal wortgewaltig Luft machen konnte, wenn ihm etwas nicht gelang, immer wieder beeindruckt. Dazu gehörte das feine Gericht selbst gesammelter Waldpilze ebenso wie der Saunabesuch nach dem sonntäglichen Kirchgang und das profunde Wissen interessanter historischer Wurzeln.

Das Licht der Welt erblickte er am 26. Mai 1931 als erster von zwei Söhnen der Eheleute Hans und Barbara Sulser-Frehner in Herisau, wo sein Vater als Sekundarschullehrer tätig war. Überraschenderweise zog es den Sprössling aus angeregtem Hause zurück zur bäuerlichen Scholle. In Penau ob Lausanne absolvierte er die Lehre, wo er durch seine Lehrmeisterin mit ihren gründlichen beruflichen Kenntnissen und ihrem Interesse an religiösen Fragen nachhaltig geprägt wurde. Nach Abschluss der landwirtschaftlichen Schule am Strickhof in Zürich arbeitete er in der Romandie und während eines Jahres in Dänemark. Seine Liebe zur französischen Kultur und zur dänischen Sprache begleiteten ihn sein Leben lang.

Das Ziel eines eigenen Hofes erreichte er 1960 mit dem Aufbau der landwirtschaftlichen Siedlung Pradastrada im wartauischen Plattis. Hier war er zu Hause, und den Wartauer Dialekt beherrschte er perfekt - nicht zuletzt dank den Sagen, die den beiden Buben seinerzeit durch die Mutter in der appenzellischen Wahlheimat vorgelesen worden waren.

Seine Frau Trudi stand ihm in Haus und Hof entschieden zur Seite und unterstützte ihn bei der Pflege der zahlreichen erfrischend-geselligen Kontakte in ihrem Heim. Es wurden ihnen die Kinder Johannes (1961), Vreni (1962) und Ursula (1964) geboren. Ein herber Schicksalsschlag traf die Familie mit dem Unfalltod des Sohnes im Jahre 1979. Liebevoll wurden die beiden Töchter in ihrem Werdegang begleitet, und eine ganz besondere Freude war stets der Enkel Fabrizio.

Einmal ging in meinem Studierzimmer des Pfarrhauses von Gretschins die Türe auf, während ich am Telefon war. Herein trat leise Hans Sulser, flüsterte "In einer halben Stunde muss ich in St.Gallen sein!", legte einige Papierblätter aufs Pult - und verschwand. Er arbeitete in der kantonalen Synode mit. Neben seinem harten Tagewerk präsidierte er umsichtig während 18 Jahren die Kirchgemeinde von Wartau-Gretschins. Später folgten zwei Amtszeiten im Gemeinderat. Er engagierte sich in der landwirtschaftlichen Genossenschaft und in der Alpkorporation Oberschan, wo er inzwischen als Pensionierter das Haus seiner Tante übernommen und gediegen renoviert hatte.

Trotz allen Aufgaben, denen er sich stellte, verfügte er stets über einen ansteckenden Humor. So betrat er ein ander Mal während des Abends meinen Amtsraum, löschte kurz das Licht, drehte es wieder an - und witzelte lustig: "Hab ich´s mir doch gedacht, Du hast noch keinen Heiligenschein!"

Ja, es ist an Gott allein, unser Leben zu vollenden und zu verewigen. Am 15. April 1999 verstarb Hans Sulser für uns alle überraschend früh nach halbjährigem, schwerem Leiden.

Wir sind erschrocken 
Wir sind erschüttert 
Wir sind betrübt ... 
wütend auch: 
auf sein Gehen reagieren wir 
mit Entzugserscheinungen

Er hat uns viel gegeben 
viel bedeutet 
Er bot uns Haus

Er: ganz Bauer 
Laienprediger 
Politiker 
Freund

lebte nach dem Wort 
des Hebräerbriefes: 
"die Bruderliebe bleibe! 
der Gastfreundschaft 
vergesset nicht! 
denn durch diese haben etliche 
ohne ihr Wissen 
Engel beherbergt"

Das hat er - zusammen mit 
seiner Frau Trudi - gelebt. 
mehr noch: 
"Lebensfreude trotz alledem" 
- wie er es mir einmal gewünscht hat - 
"Freude und Lust nicht stilisiert 
und verordnet" 
- wie er weitergeschrieben hat - 
"das Kreuz kein magisches Zeichen, 
sondern beides handfest-real, 
mit Sitz im wirklichen Leben"

Jakob Vetsch, Pfr., Zürich und Wartau-Gretschins SG
April / Oktober 1999