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L e b e n
Es ist im Menschenleben wie bei meinen Immi (Bienen): Ich
stelle ihnen im Frühling die Rähmli in den Kasten, bauen
müssen sie selber. Es ist mir, Gott gebe und bestimme jedem
Menschen seinen Lebensrahmen, ausfüllen muss ihn der Mensch
selber. Das Rähmli zeigt den Immi, wo sie anfangen sollen und
aufhören müssen. Die Rähmli aber können sie nicht
selber machen. Eine gute Herkunft hat ihm geschenkt: die Anlage zur
Freundlichkeit,
zum Vertrauen. Seine gute Sehnsucht ist gewesen: das barbarische
Verlangen
nach Ungleichheit, höchster Vernunft und Einsicht. Hinzuerworben
hat
er nur die Erfahrung, dass die Menschen sich an einem verginge, dass
man
selbst sich auch an ihnen verging und dass es Augenblickte gibt, in
denen
man grau wird vor Kränkung - dass jeder gekränkt wird bis in
den Tod von den anderen. Und dass sich alle vor dem Tod fürchten,
in den allein sie sich retten können vor der ungeheuerlichen
Kränkung,
die das Leben ist. Am Beginn seines Filmes "Annie Hall" erscheint Woody Allen auf
der Leinwand
und sagt, das Leben erinnere ihn an das Gespräch von zwei
jüdischen
Frauen. Frage nicht mehr nach dem Wert des Lebens, sondern nach dem
Werte, den du deinem Leben geben kannst! Reiss keine Blume, kein Blatt ab! Siehst du ein
Pflänzchen, auch
das gewöhnlichste, vor dir auf deinem Pfade, tritt so, dass du es
nicht zertrittst, wenn du es vermeiden kannst! Gehst du mit Kindern in
die Natur, lass sie nicht gedankenlos Blumen brechen, schon in der
ersten
Stunde, die dann in den heissen Händchen welken und die sie dann,
weil sie ihnen unbequem werden, achtlos wegwerfen, sondern wage, sie
von
den ersten Jahren an zur Ehrfurcht vor dem Leben zu erziehen!
Mache
dich meinetwegen vor gedankenlosen Menschen lächerlich, die
über
solche Marotten spotten. Aber die Kinder werden von dem Schauer des
Geheimnisses
ergriffen werden und dir einmal danken, dass du die grosse Melodie der
Ehrfurcht vor dem Leben in ihnen geweckt hast. Die Spottenden selbst
aber
werden von der elementaren Wahrheit in dem, was sie ungewohnt
berührt,
mehr bewegt, als sie zugestehen werden. Schafft euch ein Nebenamt, ein unscheinbares, womöglich
ein geheimes Nebenamt! Tut die Augen auf und suchet, wo ein Mensch ein
bisschen Zeit, ein bisschen Teilnahme, ein bisschen Gesellschaft, ein
bisschen Fürsorge braucht. Vielleicht ist es ein Einsamer, ein
Verbitterter, ein Kranker, ein Ungeschickter, dem du etwas sein kannst.
Vielleicht ist's ein Greis, vielleicht ein Kind. Wer kann die
Verwendungen alle aufzählen, die das kostbare Betriebskapital,
Mensch genannt, haben kann! An ihm fehlt es an allen Ecken und Enden.
Darum suche, ob sich nicht eine Anlage für dein Menschentum
findet. Lass dich nicht abschrecken, wenn du warten oder
experimentieren musst. Auch auf Enttäuschungen sei gefasst. Aber
lass dir ein Nebenamt, in dem du dich als Mensch an Menschen ausgibst,
nicht entgehen. Es ist dir eines bestimmt, wenn du nur richtig willst. Vollkommenes Glück und Zufriedenheit freilich dürfen
wir in
diesem Leben nicht erhoffen. Es muss immer etwas geben, das uns auch
inmitten
der Freuden daran erinnert, dass wir für eine vollkommenere Freude
geschaffen sind, die wir nicht hier auf Erden finden werden. Einem Mann in Frankreich starben Frau und Kinder. Wofür
sollte
er noch leben? So lässt er seinen Bauernhof in einer fruchtbaren
Ebene
zurück und zieht mit seinen Schafen in eine trostlose Gegend, in
die
Cevennen, fast eine Wüstenlandschaft. Dörfer mit zerfallenen
Häusern, mit unglücklichen Menschen. Der Mann erkennt: Diese
Landschaft wird sterben, wenn keine Bäume wachsen. So besorgt er
sich
Eicheln. Die guten legt er in einen Eimer Wasser, damit sie sich
vollsaugen.
Dann zieht er los, stößt mit einem Eisenstab in die Erde,
legt
Eicheln hinein, da und dort. Nach drei Jahren hat er mehr als
hunderttausend
Eicheln in die Erde gesetzt. Wenn nur zehntausend aufgehen, denkt er.
So
verbringt er den Rest seiner Jahre. Quo vadis? Heute bin ich einem Idioten begegnet, einem freundlichen,
unbeschwerten.
"Wohin gehst du?" fragte er mich. Ich nannte ein Nachbardorf. "Wohin
gehst
du?" fragte er nochmals. Ich lachte - er lächelte auch. Ich nannte
nochmals das Dorf. "Wohin gehst du?" fragte er abermals. Du wagst es der Mensch zu sein, der Du bist: unfertig, aber doch glücklich, unsicher im Neuen und doch wissbegierig, manchmal ängstlich in Entscheidungen, verwirrt im Überangebot der Ideen, doch auch begeistert von Kleinigkeiten. Zweifelnd und zögernd, dann wieder mutig und ernst, verzaubert von Worten oder schweigsam zurückgezogen. Manchmal zerrissen und voller Widersprüche, aber auch einseitig und naiv. Und noch vieles mehr bist Du, oft nicht genau zu beschreiben. Du wagst es, dich selbst so anzusehen, so zu lieben, wie Du bist und dich auch so zu zeigen, ob Du nun dafür geliebt wirst oder nicht. Schaffer last update: 13.08.2005
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