Garten
Franziskus und der
Garten
Dem Bruder, der den Garten bestellte, sagte Franz, er
möge nie das ganze Erdreich bloss mit essbaren Kräutern
bepflanzen, sondern auch einen Teil des Bodens freilassen,
dass da auch Gras Platz habe, damit zu jeder Jahreszeit
unsere Schwestern, die Blumen, gedeihen könnten. So gab es
ihm die Liebe zu jenem ein, der "die Blume des Feldes" und
"die Lilie der Täler" heisst. Ja, er wünschte vom Bruder
Gärtner, er solle stets einen Teil des Gartens für ein
schönes Beet freilassen, auf dem er allerlei duftende
Kräuter und Pflanzen mit schönen Blumen anlege, damit
jeweils die Menschen durch den Anblick dieser Blumen und
Kräuter zum Lobe Gottes gestimmt würden; ruft doch jedes
Geschöpf uns an und sagt: "Gott hat mich für dich
geschaffen, Mensch!"
So haben jene, die mit Franz lebten, oft und oft gesehen,
wie er Freude schöpfte aus dem Anblick aller Wesen und wie
seine innere Freude sich auch nach aussen kundtat; und
oft, wenn er etwas anrührte oder betrachtete, konnte man
meinen, sein Geist sei nicht auf Erden, sondern im Himmel.
Der Fabrikant - Eine
Lektion positiven Denkens
Ein vielbeschäftigter Fabrikant erzählte mir, wie er sich
immer mehr in eine unerträgliche Spannung hineinsteigere.
Am Morgen würde er aus dem Bett springen und liefe
sogleich auf Hochtouren. Er befand sich in einem solchen
Zustand der Gehetztheit, dass er zum Frühstück nur noch
weiche Eier genoss, weil diese "so leicht
hinunterschlüpfen". Dieses übersteigerte Lebenstempo
führte dazu, dass er bereits zur Mittagszeit erschöpft
war, und am Abend sank er ins Bett wie ein Toter.
Das Haus dieses Mannes liegt in einem hübschen Garten mit
alten Bäumen. Eines frühen Morgens, als er keinen Schlaf
mehr finden konnte, setzte er sich ans Fenster, und
zufällig konnte er einen Vogel beobachten, der eben
erwachte. Er sah, dass Vögel mit eingezogenem Kopf
schlafen und sich unter ihre Federn verkriechen. Als der
Vogel erwachte, blickte er schläfrig umher, streckte
gemächlich ein Bein, dann das andere, und hierauf
entfaltete er die Flügel. Schliesslich steckte er, als er
einen Flügel wie einen kleinen Fächer spreizte, das
Köpfchen erneut unter die Federn, als ob er nochmals die
Wohltat des Schlummerns kosten wollte. Dann aber kam der
Kopf wieder zum Vorschein: Der Vogel schaute munter um
sich, streckte sich nochmals und begann dann zu singen,
eine wundervolle, siegreiche und fröhliche Melodie zur
Begrüssung des neuen Tages. Darauf flog er vom Baum, nahm
etwas frisches Wasser zu sich und begann die Nahrung zu
suchen ...
Mein vielgeplagter Freund beobachtete den Vogel und sagte
sich: "Wenn dieses Tierchen so gemächlich und ohne Eile
erwachen und seinen Tag beginnen kann, warum sollte ich es
nicht auch können?" Und er befolgte das Aufstehprogramm
des kleinen Vogels bis zum Morgengesang. "Ich kann
natürlich nicht zwitschern", sagte er, sich selbst
belächelnd, aber er spürte sofort die befreiende Wirkung
des Gesangs.
"Meine Frau war nicht wenig erstaunt", erzählte er weiter,
"als sie mich in meinem Lehnstuhl singend vorfand, und
zuerst dachte sie, ich wäre übergeschnappt, doch bald
begriff sie, dass mir meine neue Art, den Tag zu beginnen,
wohl tat. Eines hatte ich dem Vogel voraus: Ich sprach
noch ein kleines Gebet, und dann befasste ich mich mit
meiner Nahrungssuche. Ich hatte Lust nach einem
ausgiebigen Frühstück. Hernach ging ich zur Arbeit, doch
nicht mehr ausser Atem und gehetzt, sondern entspannt und
in ruhiger Sicherheit. Dadurch gelang es mir, die
unerträglichen Spannung, die mich jahrelang
gefangengehalten hatte, zu unterbrechen und meine Arbeit
überlegen und ruhig zu meistern."
last update: 22.01.2022
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