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Zur Geschichte des Buss- und Bettages in Deutschland


Schon im Mittelalter wurden bei Seuchen und in Kriegsgefahr Buss- oder Sühnetage begangen. Angesichts des Türkensturms rief 1535 Kaiser Karl V. das Reich zur Busse auf, und die Reichsstädte Strassburg, Ulm und Augsburg verordneten die ersten evangelischen Busstage. Unter dem Einfluss des Strassburger Reformators Martin Bucer wurden Bettage auch andernorts zur festen Einrichtung, z.B. in Hessen-Kassel 1539, in Köln 1563. 

Im 16. Und 17. Jahrhundert breiteten sich die Busstage in evangelischen Kirchen aus, vor allem im 30jährigen Krieg. Meist wurden sie von der weltlichen Obrigkeit angeordnet, oftmals in Verbindung mit Betstunden in Notzeiten. König Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der Vater Friedrich des Großen, ordnete den Busstag ausdrücklich zum Zweck an, daß Untertanen und Obrigkeit gemeinsam Gott um Vergebung für die Unvollkommenheit staatlichen Handelns und des daraus entstehenden Leides bitten sollten. In Württemberg wurden Busstage monatlich abgehalten, in Braunschweig an die Quatember angelehnt viermal im Jahr, in Calenberg und Kursachsen dreimal, in Ostfriesland und Magdeburg zweimal, in Lüneburg einmal jährlich. In Schleswig-Holstein wurde durch dänische königliche Anordnung vom 8. April 1686 ein jährlicher Busstag am vierten Freitag nach Ostern angeordnet. 

Die "Eisenacher Konferenz evangelischer Kirchenleitungen" schlug 1852 und nochmals 1878 den Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahres als gemeinsamen Buss- und Bettag vor. In Preussen, das damals mehr als zwei Drittel des Gebiets des Deutschen Reichs umfasste, wurde diesem Tag durch Staatsgesetz vom 12. März 1893 "die Geltung eines allgemeinen Feiertags beigelegt". Diese staatliche Regelung wurde ordnungsgemäß auch als besondere kirchliche Regelung erlassen und verkündet. Ein Beispiel für das Funktionieren der Ehe von Thron und Altar! Einige andere Territorien schlossen sich später dieser Regelung an. 

Aufgrund des 1934 erlassenen Gesetzes über die Feiertage war der Buss- und Bettag bis 1939 erstmals im ganzen Deutschen Reich gesetzlich geschützt, wurde jedoch am 3. November 1940 durch Verordnung des Reichsinnenministers "im Einvernehmen mit dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda" auf den vorausgehenden Sonntag vorverlegt, was im folgenden Jahr 1941 auch auf Himmelfahrt, Fronleichnam und das Reformationsfest ausgedehnt wurde. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Buss- und Bettag in ganz Deutschland ein staatlicher Feiertag, mit Ausnahme Bayerns, wo er seit 1952 in überwiegend evangelischen Gebieten gesetzlicher Feiertag, in überwiegend katholischen Gebieten "staatlich geschützt" war, so daß evangelische Schüler/innen und Arbeitnehmer/innen einen Rechtsanspruch auf Freistellung zum Gottesdienstbesuch hatten. Seit 1981 war der Buss- und Bettag in ganz Bayern gesetzlicher Feiertag. 

Zur Kompensation für den Kostenanteil der Arbeitgeber an der Pflegeversicherung wurde 1995 der Buss- und Bettag ausser im Freistaat Sachsen in allen Bundesländern abgeschafft. Von verschiedenen Seiten gibt es Bemühungen, diese Entscheidungen rückgängig zu machen und eine andere Kompensation für den Arbeitgeberanteil an den Versicherungsbeiträgen zu suchen. Der Ministerpräsident des Freistaates Bayern, Dr. Edmund Stoiber, hat im Bundesrat eine entsprechende Initiative eingebracht. In Schleswig-Holstein findet aufgrund eines Volksbegehrens am 30. November 1997 ein Volksentscheid über die Wiedereinführung des Buss- und Bettages statt. Eine repräsentative Umfrage des Hamburger Markt- und Meinungsforschungsinsituts GFM-Getas ergab, daß 74% der Deutschen für die Wiedereinführung des Buss- und Bettages sind.

Hannover, im November 1997 Pressestelle der EKD


last update: 12.08.2015