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Lobe den Herrn, meine Seele

Predigt 10. August 2008, St. Anna-Kapelle Zürich
Jakob Vetsch Pfarrer, Sihlcity-Kirche


"Lobe den Herrn, meine Seele,
und alles, was in mir ist, seinen heiligen Namen.
Lobe den Herrn, meine Seele,
und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.
Der all deine Schuld vergibt
und alle deine Krankheiten heilt,
der dein Leben aus der Grube erlöst,
der dich krönt mit Gnade und Erbarmen,
der dich mit Gutem sättigt dein Leben lang.
Dem Adler gleich erneuert sich deine Jugend."
Psalm 103,1-5

Liebe Gemeinde!

Wie kommt Euer Prediger dazu, den bestens bekannten Psalm Davids, nämlich Psalm 103, "Lobe den Herrn, meine Seele" zur Grundlage für seine Predigt am heutigen Sonntag zu nehmen? Wir kennen ihn von klein auf, wir kennen ihn von der Sonntagsschule, vom Religions- und Konfirmandenunterricht her, wir kennen ihn von unzähligen Andachten und Predigten, wir kennen ihn von der eigenen Bibellektüre, wir kennen ihn von Gedichten und Liedern.
Wir kennen ihn? Kennen wir ihn wirklich? Lesen und singen wir den Psalm 103 in seiner Tiefe, in der er verfasst wurde und zu uns sprechen und sich in unserem Leben festsetzen kann? Oder ist er uns so selbstverständlich, dass wir nur meinen ihn zu kennen und er als schönes Stück biblischer Grundlage und Tradition oberflächlich mit uns kommt? Ja, kommt er uns auch entgegen, schafft er es in unser Herz hinein – und wirkt er da?
Das war meine Motivation, das Lied aus alttestamentlicher Zeit "Lobe den Herrn, meine Seele" genauer anzuschauen, es zu lesen wie wenn ich es noch nie gesehen hätte, es neu zu mir reden zu lassen – und es schliesslich für das Rastwort der vergangenen Woche in der Sihlcity-Kirche, wo ich seit anderthalb Jahren tätig bin, auszuwählen. Als mich die Anfrage erreichte, den heutigen Gottesdienst zu gestalten, war es für mich keine Frage, diesen Aufruf Davids auch zur Grundlage der Predigt zu nehmen.
Der Werdegang dazu zeigt, dass gerade wichtigste Aussagen unserer Bibel oder auch wichtigstes Liedgut unserer Kirche oft in ihrer Tiefe zu kurz kommen mögen, und darauf wollen wir achten. Nun schauen wir den wunderbaren Psalm an.

Überraschen muss schon der schöne Anfang: "Lobe den Herrn, meine Seele." Entgegen anderer Einleitungen richtet der Sänger die Aufforderung an sich selbst, an sein ganzes Inneres, was er mit den Worten betont "und alles, was in mir ist, seinen heiligen Namen." Nichts soll zwischen mir und Gott stehen. Und zum Inneren kommt gleich auch die Er-Innerung dazu: "Und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat." Das ganze Innere der Gegenwart und der in gutem Lichte gesehenen Vergangenheit, also meine ganze Seele soll Gott und seinen Namen loben.
Bei genauerem Hinsehen und beim Lesen des hebräischen Textes erstaunt nun aber auch das Wort, welches hier ursprünglich für "loben" verwendet wurde: Nicht "halal", das wir vom "Hallelujah" her kennen, sondern "barak", d.h. "preisen" und stammt von "niederknien". Wie sehr David sein Inneres auffordert und auch an die Erinnerung mahnt, so praktisch ruft er auch dazu auf, sich vor Gott auf die Knie zu begeben, also eine gewisse Haltung, nämlich die der Demut und der Dankbarkeit Gott gegenüber einzunehmen und ihm die Ehre zu geben.
Hand auf 's Herz: Oft ist uns nicht danach zumute. Anfechtungen machen uns zu schaffen, Sünden geben uns zu denken, Schuldgefühle nagen an uns, Versagensängste fressen uns auf, Krankheit zehrt an unseren Kräften, der Gedanke an den Tod und an das was bleibt beschäftigt uns. Das Leben könnte einem verleiden, und es ist uns nicht immer möglich, allem was wir durchmachen einen Sinn abzuringen.

Wenn wir nun weiterlesen in unserem Psalm, machen wir die frappierende Entdeckung, dass genau diese Gedankengänge seine Themen sind. Was so schön begonnen hat, gewinnt nun an tragischer Tiefe: Es ist von Sünde, also Getrenntsein von Gott, von Schuldenlast, quälender Krankheit und sinnlosem Tod die Rede. Das sind die Risiken und Gefahren, denen wir ausgesetzt sind und denen wir uns manchmal auch selbst aussetzen. Wir mögen erschrecken.
Und dann sehen wir, in welcher Art davon die Rede ist, welch unglaublich grosses Gegengewicht aufgefahren wird: Schuld wird vergeben, Krankheiten werden geheilt, das Leben aus der Grube, also vom Tod, erlöst. Du wirst gekrönt – mit Gnade und Barmherzigkeit, du wirst gesättigt mit Gutem dein Leben lang. Und deine Jugend erneuert sich gleich dem Adler. – Das geschieht dir, meine Seele, und darum sollst du Gott loben.

Gott möchte nicht ewig anklagen, er möchte nicht im Zorn verharren, er vergibt, er heilt, er erlöst, er ist gnädig. Das sind die Stichworte der Rettung, die kommt und für den Psalmensänger gekommen ist: Gnade, Barmherzigkeit, Güte, Jugend, Gerechtigkeit. Manchmal müssen wir lange darauf warten und wir könnten verzagen. Gott aber weiss, dass einem Menschenleben zeitliche Grenzen gesetzt sind, und er wartet darauf, unser Lobpreis zu hören. Wir dürfen es fröhlich anstimmen in Christus, durch den diese Gnade ein für alle mal geschehen ist. Darüber hinaus möchte er – immer nach unserem Psalm – dass wir ihm und seinem Wort treu sind und danach handeln, es umsetzen in unserem Leben, dass es Form und Gestalt annimmt in dem was wir tun und lassen. Und eben: dass wir ihn loben von ganzer Seele.
Und dann, in den Versen 20, 21 und 22 ertönt die Mehrzahl: "Lobt". Die Boten sollen ihn loben, die Heerscharen und alle seine Werke. Ganz am Schluss kehrt der Psalm in Demut zu seinem Anfang zurück: "Lobe den Herrn, meine Seele." –
Dieser Psalm sei „eine der reinsten Blüten am Baume des biblischen Glaubens“ schrieb der Ausleger Artur Weiser in seinem Kommentar, und er fuhr fort: "In seinen Wurzeln tief hinabreichend bis dahin, wo die stärksten Quellen biblischer Frömmigkeit sprudeln, hat das Lied durch die edlen und ungetrübten Klänge, mit denen es die Gnade Gottes besingt, Dichtung und Leben im Laufe der Jahrhunderte befruchtet."

Vorgestern, am 8. 8. 2008, liebe Gemeinde, wurden in China die Olympischen Spiele eröffnet. Ein Freund sprach mich darauf an und fragte, ob ich in der Sonntagspredigt darauf Bezug nähme? Zuerst wollte ich abwinken, mich drücken, darauf hinweisen, dass mir der Weltsport nicht so nahe liegt und man im Leben schliesslich eklektisch vorgehen, also eine Auswahl treffen und sich auf bestimmte Dinge konzentrieren muss – und dann konnte ich nicht anders als meine Aufmerksamkeit seinem Herzensanliegen zu schenken.
Er verwies auf den Olympischen Gedanken, es sei schliesslich ursprünglich um die Freude an der Bewegung des Menschen gegangen; und kriegerische Auseinandersetzungen seien während den Spielen nicht erlaubt gewesen, man setze sich statt dessen unblutig auseinander – und nicht selten sei nach den Spielen der Grund eines Krieges gar nicht mehr eingesehen und dieser beendigt worden.
Ich verstehe das Anliegen meines Freundes. Es ist das Anliegen vieler Menschen und auch von uns Christen. Wenn unsere Seelen Gott preisen, dankbar sind für die Vergebung von Schuld, dankbar sind für Heilung und Errettung vom Tod – wenn unsere Seelen Gott preisen und wir mit dem Sänger vom Psalm 103 alle zum Gotteslob einladen, dann gilt das konkret im Hier und Jetzt, und dann denken wir auch an die Menschen und die Nationen und wünschen allen den Frieden Gottes. Dann nennen wir auch beim Namen, was diesen Frieden auf Erden stört, und wir treten ein für die Würde und die Rechte der Menschen auf der ganzen Erde. Es ist nicht so, dass wir sowieso nichts tun können. Wir können klar denken, reden und handeln, und wir können, durch das Gotteslob gestärkt, Fürbitte leisten, wir können als Einzelne und als kirchliche und staatliche Gemeinschaft Vorbild sein. Wir können um seinen Segen bitten, für uns und für andere. Und dieser Segen wird auf uns zurückstrahlen. Alles hängt zusammen, alles soll eingebunden sein in das Lob für den, der uns und die ganze Schöpfung geschaffen hat und der uns nahe sein will.

Amen.




Morgengebet zur Sammlung: Zu dir kommen wir

Zu dir kommen wir, guter Gott, und wir beten dich an in unserer Gemeinde. Du rufst uns an diesem Morgen, am Anfang des neuen Tages und der neuen Woche in deine Gemeinschaft.

Zu dir kommen wir mit unserem ganzen Dasein, mit allem, was uns bewegt, was uns erfreut und was uns bedrückt. Zu dir kommen wir mit unseren Gefühlen, mit unseren Wünschen, mit unserer Vergangenheit und Gegenwart – und mit unseren Zielen.

Zu dir kommen wir mit unserem Dank für alles Gute, was du an uns getan, mit unserer Bitte zu heilen, was zerbrochen – und mit unserem Lobpreis für dich, der du gross bist und gut.

Zu dir kommen wir, weil du uns rufst. Komm du auch zu uns an diesem Morgen, sei uns nahe in dieser Feier mit deiner Gegenwart, mit dem Heiligen Geist und Jesus Christus – und mit deinem Wort. Wir wollen hören was du uns sagst. Öffne unsere Herzen und Sinne, rede du zu uns. Amen.


Fürbitten

Herr, wir danken dir für dein gutes Wort. Lass es wirken an unseren Seelen, dass sie dich preisen...

Wir bitten dich für alle, deren Verbindung zu dir verschüttet und unterbrochen ist. Erreiche du sie mit deinem heilenden Wort...

Wir bitten dich, Herr, für die Menschen, die durch Krankheit in Mitleidenschaft gezogen werden, für die Betroffenen und für die Angehörigen. Richte du sie auf und schicke ihnen deine Kraft.

Wir bitten dich für jene, deren Menschenrechte und Würde mit Füssen getreten werden. Sende ihnen Linderung der unsäglichen Schmerzen und stärke in ihnen das Wissen, bei dir willkommen und angesehen zu sein.

Wir bitten dich, Gott des Lebens, für unsere Sterbenden. Sei ihnen nahe mit deinem Trost und Heil.

Schliesslich bitten wir dich für alle Menschen und Nationen, welche in den Olympischen Spielen in China mitwirken und mit ihnen verbunden sind. Gib ihnen Freude an der Bewegung, am Leben, an der Fairness und am Frieden.

Auch für uns bitten wir dich, dass du bei uns bist in dieser Woche und uns gibst, was wir brauchen. Wir bekennen dir unser persönliches Anliegen für uns und für andere in der Stille...

Um all das bitten wir dich, der du bist "Unser Vater..."


last update: 03.05.2015