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Vergebung


"Vergeben fördert die Gesundheit." Diese Erkenntnis wurde in einem Institut der Hamburger Universität wissenschaftlich erhärtet und ging durch die Presse: Vergeben führe häufig zur Minderung oder gar zum Wegfall seelisch-körperlicher Störungen, auch, wenn es nur innerlich geschehe.

Da kam Petrus zu Jesus und fragte ihn: "Herr, wie oft soll ich meinem Bruder, der wider mich sündigt, vergeben? Bis siebenmal?" Jesus sagte zu ihm: "Nicht bis siebenmal, sondern bis siebenundsiebzigmal."
Matthäus 18,21-22

Es entbrannte zwischen dem Bischof und Bürgermeister von Assisi ein grosser Streit, in dessen Verlauf der Bischof den Podestà exkommunizierte, während dieser verkünden liess, es dürfe niemand dem Bischof etwas verkaufen oder abkaufen noch sonst einen Vertrag mit ihm schliessen.
Als der selige Franz in seiner Krankheit davon hörte, bewegte es ihn sehr, besonders weil sich niemand um Friedensvermittlung bemühte. Und er sagte zu seinen Gefährten: "Für uns als Knechte Gottes ist es eine grosse Schande, dass der Bischof und der Bürgermeister sich gegenseitig so hassen, ohne dass jemand sich um Friedensvermittlung bemüht." 
So kam es, dass Franz aus diesem Anlass eine Strophe in den Sonnengesang beifügte:
Gelobt seist Du, Herr, durch die, so vergeben 
um Deiner Liebe willen 
und Pein und Trübsal geduldig ertragen.
Selig, die's überwinden im Frieden:
Du, Höchster, wirst sie belohnen.

Vergebung der Sünden ist eine süsse Wundertat.
Martin Luther

Denn höher vermag sich niemand zu heben, als wenn er vergibt.
Johann Wolfgang von Goethe, aus: "Reineke Fuchs" 12. Gesang, 148. Vers

Dass Menschen in Schuld geraten, ist schlimm; aber sich schuldig zu fühlen und nicht an Vergebung glauben zu können, das ist die Hölle.
Eugen Drewermann

Der Akt der Vergebung öffnet den einzig möglichen Weg, auf dem sich schöpferisch über die Zukunft nachdenken lässt.
Desmon Wilson, irischer katholischer Priester

Radikale Vergebung ist Liebe in Aktion.
Colin Tipping, Begründer von "Radical Forgiveness"

Wer anderen vergibt, vergibt sich nichts. Wer anderen nicht vergibt, vergibt sich viel.
Petrus Ceelen

Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden dir, wenn du betest, auch deine Sünden vergeben.
Jesus Sirach 28,2




Der Baum voller weisser Bänder

Einmal sass ich bei einer Bahnfahrt neben einem jungen Mann, dem sichtlich etwas Schweres auf dem Herzen lastete. Schliesslich rückte er damit heraus, dass er ein entlassener Sträfling und jetzt auf der Fahrt nach Hause sei. Seine Verurteilung hatte Schande über seine Angehörigen gebracht; sie hatten ihn nie im Gefängnis besucht und auch nur ganz selten geschrieben. Er hoffte aber trotzdem, dass sie ihm verziehen hätten.

Um es ihnen leichter zu machen, hatte er ihnen in einem Brief vorge-schlagen, sie sollten ihm ein Zeichen geben, an dem er, wenn der Zug an der kleinen Farm vor der Stadt vorbei fuhr, sofort erkennen könne, wie sie zu ihm stünden. Hatten die Seinen ihm verziehen, so sollten sie in den Apfelbaum an der Strasse ein weisses Band anbringen. Wenn sie ihn aber nicht wieder daheim haben wollten, sollten sie gar nichts tun, dann werde er im Zug bleiben und weiterfahren, weit weg. Gott weiss, wohin.

Als der Zug sich seiner Vaterstadt näherte, wurde die Spannung des Häftlings so gross, dass er es nicht über sich brachte, aus dem Fenster zu schauen. Ein anderer Fahrgast tauschte den Platz mit ihm und versprach, auf den Apfelbaum zu achten.

Gleich darauf legte der dem jungen Sträfling die Hand auf dem Arm.
"Da ist er", flüsterte er, und die Tränen standen ihm plötzlich in den Augen, "alles in Ordnung. Der ganze Baum ist voller weisser Bänder."

In diesem Augenblick verschwand alle Bitternis, die ein Leben vergiftet hatte. "Mir war", sagte der Mann später, "als hätte ich ein Wunder miterlebt. Und vielleicht war’s auch eines."

Nach John Kord Lagemann


last update: 25.08.2015