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Predigt vom 17. Juli 2011 in der St. Anna Kapelle Zürich
und vom 24. Juli 2011 im Evangelischen Zentrum Magliaso TI
Pfr. Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche Zürich


Der Schatz im Acker

Predigttext aus dem Evangelium nach Matthäus 13,44:
"Das Reich der Himmel ist gleich einem im Acker verborgenen Schatz,
den ein Mensch fand und wieder verbarg.
Und in seiner Freude geht er hin und verkauft alles,
was er hat, und kauft jenen Acker."


Liebe Gemeinde

Wie haben wir es mit Schätzen? Welchen Umgang pflegen wir mit ihnen? Wo setzen wir unsere Prioritäten? Was hat in unserem Leben Gewicht?

Jesus hat klare Worte gesprochen. Wir lesen in seiner Bergpredigt (Matthäus 6,19ff.):
"Sammelt euch nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie zerfressen, wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch vielmehr Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Rost sie zerfressen, wo keine Diebe einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz ... Niemand kann zwei Herren dienen. Denn entweder wird er diesen hassen und jenen lieben, oder er wird sich an jenen halten und diesen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon."

Ja, es klingt nach in mir: "Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz." Das ruft uns Jesus klar zu, in Sorge um unsere Seelen. Und: "Niemand kann zwei Herren dienen." Das heisst wohl nicht, dass wir nachlässig sind mit irdischen Gütern, die wir ja auch Gott verdanken, der sie möglich gemacht und geschaffen hat. Das heisst wohl nicht, dass wir die Hände in den Schoss legen und meinen, unser Nachdenken und unsere Arbeit seien nicht nötig. Aber es ist klar, was zuerst kommt und was nachher; es ist klar, was die Ursache ist und was die Folgen sind.
Wie sagte es einst Alphons Maria di Liguori: "Nur eines ist nötig, und das ist nicht Schönheit, nicht Gesundheit, nicht Talent. Das ist die Rettung der Unsterblichkeit unserer Seelen."

Nun aber zum Schatz im Acker:

"Ds Bettle versuumet" würden wir vielleicht sagen, wenn wir jenen Mann sähen, wie er den Acker bestellt. Er ist ein Tagelöhner, der im Dienst eines anderen den Acker umgräbt. Dichterpfarrer William Wolfensberger stellte sich das Gelände so vor:

"Ausserhalb des Dorfes, recht abgelegen und an einer ungeschickten Halde, lag der Acker. Er lag schon Jahre und Jahre brach, und es ist nur zu gut verständlich, dass ihn keiner mochte. Zum ersten war er fest eingewachsen, es wucherte auf ihm ein Wald von Unkraut. Die spitzen Blaudisteln waren in der Mehrzahl. Aber zwischendrin prunkte auch der grelle Mohn, und das verlogene Rot der Mansönias machte sich breit. Es schillerte drin Unkraut aller Art, und was nicht unkrautverwuchert war, hatten der Weissdorn und die stinkende Berberitze besetzt.
Sodann war die Lage unbequem. Man pflügt nicht gern an gähen Halden. Schliesslich wurde er noch zu etwas gut, dieser elende Acker: Man lagerte dort Mist und Schutt aller Art ab. Dazu war er nun wirklich noch gut genug."

Und über den Arbeiter schrieb Wolfensberger: "Er war ein junger, mutiger Mensch, voll Vertrauen. Er pflügte, so tief er konnte. Er riss den Boden wund. Gut Korn will rechte Ackerarbeit. Gut Korn will gesunden Boden. Gut Korn will braune Scholle."

Wir haben es hier mit harter Arbeit ohne Aussicht auf grossen Gewinn zu tun. Und dann kommt das entscheidende Erlebnis: "Da! Er stiess auf. Zu seinen Füssen blinkte es. Aus der Klaffe der geborstenen Truhe blinkte es hell. Es hämmerte in ihm. Das war ein Schatz von unermesslichem Wert!" – Er gibt alles her, was er hat, und er kauft den Acker mit diesem Schatz.

Erschütternd, wie der Dichterpfarrer in seiner Betrachtung über den Schatz im Acker fortfährt: "Du kennst den Acker. Es ist deine Seele. Du kennst den Bauer: Du bist es, du. Du weisst, wie es die andern mit dem Acker ihrer Seele halten: Es gibt nichts Verachteteres. Ist's ein Wunder, dass darauf das Unkraut schiesst?"
Ist das so? "Nur seelisch" – ist das die gängige Vorstellung? Oder hören wir auf die innere Stimme und folgen wir ihr? Finden wir darin den Schatz, für den es sich alles herzugeben lohnt? Es geht darum, klare Prioritäten zu setzen.

Die Bibelstelle will uns sagen, dass das Reich Gottes unerwartet wie ein Schatz in unser mühseliges Dasein einbricht. Mit Freude dürfen wir es willkommen heissen in unserem Leben. Es ist schon da, auch wenn es sich noch nicht ganz durchgesetzt hat und wir uns immer wieder von ihm entfernen, um ihm wieder nahe zu sein.
Zusprechend schliesst der Prediger des vorigen Jahrhunderts, indem er über den Schatz berichtet: "Vielleicht sagt einer, der es schwer gehabt hat: 'Ich hab' mich auch gemüht und gebückt und die Steine weggetragen und habe ihn doch nicht gefunden.' Ja, viele finden ihn früh und dürfen jubeln. Viele finden ihn spät. Finden ihn in Anfechtung, Leid und Vereinsamung. Aber, baue doch weiter. Trag die Sorgensteine weg. Öffne den Acker der Seele der Sonne, baue und säe. Dann wirst du doch in jedem Fall davon ein wacker Korn bekommen, dass du Brot des Lebens gewinnst."

Der Arbeiter hat es sicher nicht bereut, dass er alles gab. Auch wir dürfen loslassen und das Reich Gottes in unsere Herzen strömen lassen. In der Bergpredigt vom Evangelium nach Matthäus 6,31-33 hören wir die Prioritäten klar heraus: "Sorgt euch nicht und sagt nicht: Was werden wir essen? Oder: Was werden wir trinken? Oder: Was werden wir anziehen? Euer himmlischer Vater weiss nämlich, dass ihr das alles braucht. Trachtet vielmehr zuerst nach seinem Reich und seiner Gerechtigkeit, dann wird euch das alles dazugegeben werden."

Der unverhofft, als Geschenk, als Gnade gefundene Schatz im Acker – so verhält es sich mit dem Reich Gottes. Unsere Arbeit braucht es. Aber das Wesentliche ist Geschenk. In dieser Sommerzeit darf auch so ein Schatz leuchten in unserem Leben. Wenn wir entspannt sind, wenn wir nicht daran denken, fällt uns ein Geschenk zu.

Wie wichtig diese Erholung ist, zeigt uns die Geschichte von Johannes mit dem Rebhuhn:
Vom alten Apostel Johannes erzählt man sich, er habe gerne mit seinem zahmen Rebhuhn gespielt. Ein vorüber ziehender Jäger verwunderte sich eines Tages sehr darüber, dass ein so angesehener Mann sich dafür hergab. Es schien ihm, der Apostel könnte seine wertvolle Zeit für wichtigere Dinge einsetzen. Deshalb fragte er ihn: "Warum vertust du deine Zeit mit einem nutzlosen Tier?"
Johannes hielt erstaunt inne und gab zurück: "Weshalb ist der Bogen in deiner Hand nicht gespannt?" "Das darf ich nicht, erwiderte der Jäger, "sonst würde der Bogen an Spannkraft verlieren, und wenn ich einen Pfeil abschiessen wollte, hätte er keine Kraft mehr."
"Junger Mann", belehrte ihn alsdann der alte Apostel, "so wie du deinen Bogen immer wieder entspannst, so musst du auch dich selbst immer wieder erholen. Sonst fehlt dir die Kraft für eine grosse Anspannung, und du kannst nicht mehr tun, was notwendig ist."

Amen.


last update: 16.07.2011