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Klatsch


Wer alles ernst nimmt, was Menschen sagen,
darf sich nicht über Menschen beklagen.
Alles Reden ist meist nur Gered.
Weiss man erst, was dahinter steht,
lässt man´s klappern wie die Mühlen am Bach
und geht still fein in sein eigen Gemach.
Christian Morgenstern

Klar, keiner gibt's gerne zu, aber mal ehrlich: Nichts eint zwei Menschen so sehr wie ihre Meinung über einen dritten.


Die Eskimos tun es. Die Indianer tun es. Die Franzosen, die Spanier und die Briten tun es. Und ja - die Schweizer auch. Klatsch gab es schon in der Antike, und er wird uns wohl alle überleben. In Afrika ist das Wasserloch der bevorzugte Ort für diese Form der Kommunikation. Spanische Landfrauen finden beim gemeinsamen Brotbacken den richtigen Rahmen dazu. In der Schweiz sucht jede oder jeder, je nach Vorliebe, seine Nische zum Klatschen: am Arbeitsplatz, im Supermarkt, im Schwimmbad oder bei einem gemütlichen Kaffeekränzchen. Auch in Romanen, Filmen und Zeitungen begegnet man ihm. Was macht Klatsch so interessant? Einer, der es wissen muss, ist der Giesener Soziologe Jörg Bergmann. Auf 293 Seiten seiner Habilitationsschrift mit dem Titel 

"Klatsch - Zur Sozialform der diskreten Indiskretion"

hat er sich ausführlich mit diesem "Spielzeug für Erwachsene" beschäftigt. Er hat Klatsch überall dort angetroffen, wo Bekannte sich begegnen, ungestört unterhalten oder besser noch: ihr Gespräch mit einer anderen Tätigkeit verbinden können. Das hat seinen Sinn. Klatsch, von alters her sozial geächtet, darf nur unter dem Deckmantel sozial akzeptierter Handlungen stattfinden, sozusagen als Nebenprodukt. Sobald sich jemand nur ausschliesslich dem Klatsch zuwendet, kommt er oder sie schnell in den Ruf, eine "Klatschbase" zu sein. Und wer will das schon. Der Volksmund will uns mit solchen Titulierungen weismachen, dass Frauen lieber klatschen als Männer. Doch Bergmanns Forschungen ergeben, dass Männer es genausooft und -gern tun. Auch auf der gesellschaftlichen Leiter macht Klatsch nicht halt. Der Generaldirektor lässt sich mit der gleichen Begeisterung dazu hinreissen wie der Hilfsarbeiter. Nur zusammen werden sie es niemals tun, denn gut klatschen lässt sich nur unter seinesgleichen. Doch am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein reicht allein nicht aus, um sich in ein gelungenes Klatschabenteuer stürzen zu können. Zum Klatsch gehören drei: derjenige, der etwas Intimes über einen anderen Menschen mitzuteilen hat, derjenige, der neugierig ist, dieses zu hören, und eben derjenige, über den geredet wird. mit Bergmann soziologisch ausgedrückt: der Klatschproduzent, der Klatschrezipient und das abwesende Objekt. Wie wichtig die Absenz des Opfers ist, weiss jeder aus eigener Erfahrung: Wenn jemand, über den gerade nach Herzenslust geklatscht wird, plötzlich zu diesem Gespräch hinzukommt, bricht die Unterhaltung schlagartig ab. Man schweigt verlegen und versucht dann mühsam, das Gespräch mit einem neuen Thema wieder in Gang zu bringen. Oder die andere Variante: Der neu Hinzugekommene zieht sich zurück mit einem ahnungsvollen "Ich schaue später noch einmal vorbei".
Die Existenz von Geheimnissen macht Klatsch so interessant. In das Privatleben eines andern einzudringen und dieses Bild mit dem zu vergleichen, welches das Klatschopfer offiziell nach aussen darstellt, hat schon etwas Detektivisches. Tauchen dann noch Diskrepanzen auf, wird es für alle Beteiligten um so spannender. Der letzte amerikanische Wahlkampf zeigte es ganz deutlich: Viel mehr als für sein Wahlprogramm interessierten sich die Menschen für Bill Clintons Privatleben. Zum einen sah man eine gutaussehende Blondine, die steif und fest behauptete, mit dem Gouverneur von Arkansas seit zwölf Jahren ein Verhältnis zu haben. Auf der anderen Seite hielt Hillary ihrem Bill vor dem häuslichen Kamin sehr medienwirksam die Hand. Irgendwie müssen sich die Amerikanerinnen und Amerikaner letztlich für die offizielle Version entschieden haben, sonst wäre der Mann aus Little Rock niemals Präsident geworden. Gary Hart, dem der Klatsch um eine Liebesaffäre im vorherigen Wahlkampf das politische Genick brach, kann ein Lied davon singen. Die Mitwisserschaft schwört die Klatschenden auf eine Gemeinschaft ein, weshalb Vorgesetzte auch selten mit Untergebenen dieser Art der Unterhaltung nachgehen. Denn Klatsch ist auf die Gleichheit der Gesprächspartner angelegt. Die Weitergabe des Wissens ist ein Privileg, das nur auf Personen ausgedehnt wird, die einander als Mitglieder einer bestimmten Gruppe anerkennen. Zu gross wäre das Risiko, würden Intimitäten an Fremde weitergegeben, von denen man nicht weiss, wie sie mit diesem Wissen umgehen. Schliesslich kann man selbst dabei in Teufels Küche geraten. So dient Klatsch denn auch dem Erhalt sozialer Gruppen. 
Klatschforscher Bergmann geht sogar noch einen Schritt weiter: Er behauptet, Klatsch sei das beste Mittel, um Aggressionen innerhalb einer Gruppe abzubauen, ohne dass es zum offenen Konflikt kommt und damit die Existenz der Gruppe gefährdet wird. Darüber hinaus übt Klatsch eine grosse soziale Kontrolle aus: Sowohl auf den Klatschenden selbst, der durch das Gerede über das abweichende Verhalten eines anderen seine eigenen Normen und Werte bestätigt, als auch auf das Opfer, das in Erwartung einer möglichen Sanktion sich eher für ein normenkonformes Verhalten entscheidet. Thomas Klestil, noch amtierender österreichischer Bundespräsident, hat diese Macht des Klatsches unterschätzt. Was in Wien schon lange gemunkelt wurde, brachten sensibilisierte Meinungsmacher an den Tag, und Klestil musste - normenkonform - die Konsequenzen ziehen. Um sein Amt zu behalten blieb ihm nichts anders übrig, als sich, nachdem seine Frau schon gegangen war, auch von seiner Geliebten zu trennen. Beim Klatsch werden aber nicht nur gesellschaftliche Normen bestätigt. Klatsch ist ein sehr kompliziertes Wechselspiel zwischen Indiskretion und Diskretion. Indem der Klatschende sein Wissen an einen anderen weitergibt, ist er indiskret. Da er es aber nur Freunden und Bekannten zukommen lässt, verhält er sich wieder sehr rücksichtsvoll und diskret. Diese Diskretion ist jedoch nur möglich, wenn Klatsch sozial geächtet bleibt. - Haben Sie übrigens schon gehört, dass ...? Der gute alte Klatsch ist Balsam für die Seele.

Warum der "schäbige Verwandte des guten Gespräches" für uns Menschen so wichtig ist. Ein Artikel von Heidi Stern im Tagesanzeiger vom 22. Februar 1994, S.61


Ma muess de Rhii rünna luu un d Lüt reeda.
Wartauer Spruch


APA-Net Science-Week

Tratsch oder Naschen als Medizin

Genussmittel helfen bei der Bewältigung von chronischem Arbeitsstress. "Der Tratsch mit Kollegen, eine Kaffee-, Tee- oder auch eine Zigarettenpause, ein Stück Schokolade oder Kuchen werden von vielen Menschen als Anti-Stressoren empfunden", sagte der britische Psycho-Pharmakologe Prof. David M. Warburton bei einem Internistenkongress in Wiesbaden. Das belege eine Studie mit rund 5.300 Büroangestellten in 16 Ländern. 80 Prozent der Befragten nannten "Genusspausen" mit Gesprächen, etwas Süssem oder einem aufmunternden Getränk als beste Medizin für Lebensfreude. Warburton: "Genuss kann einen positiven Beitrag auf die Gesundheit des Einzelnen ausüben. Wo er fehlt, ist mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen." 
Der deutsche Sportmediziner Prof. Klaus Jung sieht im mässigen Weingenuss gesundheitliche Vorteile. "Der Rebensaft wirkt nicht nur organisch gesundheitsfördernd, sondern auch in psychischer Hinsicht euphorisierend und günstig." Weisswein rege zum Beispiel die Magen-Darm-Tätigkeit an, Rotwein wirke beruhigend, sagte Jung. 
Kaffee sei kein "Herzkiller", hiess es. Zwar könne ungefilterter Kaffee zum Anstieg der schädlichen Cholesterinwerte im Blut beitragen, erläuterte die deutsche Ernährungswissenschafterin Ursel Wahrburg. Bei Filterkaffee dagegen würden die ungesunden Bestandteile des Kaffee-Öls im Papier zurückgehalten. Regelmäßiger Kaffeekonsum habe keinen schädlichen Einfluss auf den Blutdruck. 

[APAnet] 17.04.1996


26.08.2015