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Predigt zum Sonntag, den 14. März 2010, gehalten in der
St. Anna-Kapelle Zürich von Pfarrer Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche


Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand

„Der Herr ist mein Hirt...“ (Psalm 23)


Liebe Gemeinde!

Ein praktizierender Christ erzählt von der schweren Erkrankung eines nahestehenden Mitmenschen. Er macht plötzlich einen tiefen Seufzer: "Ja, der Pfarrer sagte immer, wir können nicht tiefer fallen als in die Hand von Gott." Ich gebe meiner Betroffenheit und meinem Mitgefühl Ausdruck. Wir reden von unserem Glauben, vom Dasein für andere und wie es uns selber ergeht im Gedanken ans Abschiednehmen.

Dann aber: Moment! Dieses nicht tiefer Fallen als in Gottes Hand. Hab ich davon nicht auch schon gesprochen? Und woher hat es jener Pfarrkollege, der es einprägsam zitierte? So ganz genau wussten wir alle Drei es nicht, der Bruder im Glauben, der davon sichtlich gerührt erzählte, die anwesende Mitarbeiterin – und auch der Sprechende nicht. Also wird nachgeschaut. Und wir werden beim deutschen Erzieher, Pfarrer und Lyriker Arno Pötzsch fündig. Er war in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und hatte ursprünglich lediglich die Volksschule besucht. Dann meldete er sich als 17-Jähriger freiwillig bei der kaiserlichen Kriegsmarine im Ersten Weltkrieg. Im Zweiten Weltkrieg versah er das Amt eines Marine-Pfarrers. Viele seiner Lieder und Gedichte verfasste Arno Pötzsch angesichts der Schrecken und des Leides der Kriege. "Notlieder der Kirche" seien es, pflegte er sich auszudrücken.

Gesucht hatten wir nach dem Ausdruck des nicht tiefer Fallens als in Gottes Hand. Bei ihm ist dieser tröstliche Gedanke anzutreffen. Er geht so:

"Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand."

Er geht noch weiter, und er ist formuliert in einem von insgesamt neun Liedern von Arno Pötzsch, die Eingang in unser Kirchengesangbuch gefunden haben, nämlich die Nummer 698:

"Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand,
die er zum Heil uns allen barmherzig ausgespannt.

Es münden alle Pfade durch Schicksal, Schuld und Tod
doch ein in Gottes Gnade trotz aller unserer Not.

Wir sind von Gott umgeben auch hier in Raum und Zeit
und werden in ihm leben und sein in Ewigkeit."

Die Zeilen hat der Verfasser im Jahre 1941, also in der ersten Kriegszeit niedergeschrieben. Viele Pfade wurden damals unfreiwillig gegangen. Schicksal, Tod, Schuld und Not waren nicht nur Worte. Heil, Barmherzigkeit, Gottes Gnade waren jenseits allen Begreifens, weil alles andere zu sehen war. Und unter allem an Hoffnung Begrabenen Seine Hand, die auffängt und gütig entgegen nimmt.
Vernahm ich nicht letzthin den Satz: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“ Er stammt auch von einem Mann, der den Ersten Weltkrieg erlebt hat, nämlich vom israelischen Staatsmann Ben Gurion.
Der Glaube ist für mich ein solches Wunder. Er tippt etwas an, das tiefer geht. Etwas das nicht berechnet oder verdient werden kann. Es kann auch nicht mit dem Verstand gefasst werden.

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So sind wir also dem Ausdruck vom nicht tiefer Fallen als in Gottes Hand nachgegangen. Die Mitarbeiterin hat dann noch ein historisches Bild von einem mittelalterlichen Fresko beigebracht, das die Hand Gottes zeigt: Herzu winkend und auffangend, bergend zugleich, offen auch, lieblich.
Es heisst, wir sollen uns kein Bild von Gott machen, das nicht. Aber wir sollen Erfahrungen mit Gott machen, und wir sollen auch davon reden. Im 5. Buch Mose 6,4-7 heisst es:

„Höre, Israel: Der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen in deinem Herzen bleiben, und du sollst sie deinen Kindern einschärfen, und du sollst davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt und wenn du auf dem Weg gehst, wenn du dich niederlegst und wenn du dich erhebst.“

So wurde uns das Gespräch in der Seelsorge-Werkstatt in der Sihlcity-Kirche selber zur Heimat, zu einem Stück Geborgenheit im Glauben und in der Glaubensgemeinschaft. Nicht nur bei den letzten Fragen unseres Lebens ist das von grosser Wichtigkeit und fundamental, sondern in jedem Atemzug, den wir tun. Wozu leben wir? Woher kommen wir und wohin gehen wir? Was hält? Es ist ja so wichtig, dass wir darauf eine Antwort erhalten und dass wir mit unseren Fragen nicht alleine sind. Dabei spielt das Alter keine Rolle; das ist für Menschen jeden Alters wichtig. Und wir wissen nie, was noch geschieht und wozu wir das brauchen können. Es ist die Verbindung mit Jesus Christus. Es ist der Gedanke ans Kreuz und an die Auferstehung. Es ist Vergebung und Neubeginn. Es ist das Leben.

Aus der Hand Gottes, die im Alten Testament über 200 mal für die Macht des Herrn gebraucht wird, ist nun die mächtige Hand geworden, die uns auffängt, die uns durch das Leben trägt. Wir erleben sie oft auch als segnende Hand unseres Herrn Jesus Christus, dargestellt auch in vielen Bildern und Ikonen, uns zugestreckt.

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Wir dürfen diese Hand annehmen, entgegennehmen. Wir dürfen unsere Hand auch geben, um uns führen zu lassen, um Gutes entgegenzunehmen. Darum benutze ich oft das Fingerkreuz. Auch wenn wir von Seiner Macht nichts spüren, er ist da. Auch wenn wir Seiner Erlösung harren, Er hat sie vollbracht.

Martin Buber verdanken wir folgende kleine, spannende Erzählung:

Der Raw sprach einen Schüler, der eben bei ihm eintrat, so an: 
"Mosche, was ist das, Gott?"  
Der Schüler schwieg.  
Der Raw fragte zum zweiten- und zum drittenmal.  
"Warum schweigst du?"  
"Weil ich es nicht weiss."  
"Weiss ich´s denn?" sprach der Raw. "Aber ich muss sagen; denn so ist es, dass ich es sagen muss: Er ist deutlich da, und ausser ihm ist nichts deutlich da, und  d a s  ist er."

Amen.




Sammlungsgebet

Herr Jesus Christus.
Zu dir kommen wir und in deine Gemeinschaft
an diesem Sonntagmorgen.

Du bist es der uns ruft unter das Wort
und in deine grosse Familie.
Du schickst uns auf den Weg zu dir,
du lässt uns ruhen in deiner Gemeinschaft.
Du vergibst uns unsere Schuld,
und du gibst uns jeden Morgen neue Kraft.

Wir loben und preisen dich.
Wir danken dir und freuen uns
ob deiner Güte!
Und wir öffnen unsere Herzen und Sinne
für das, was du uns heute sagen und geben willst.

Amen.


Fürbitten

Herr, wir bitten dich für die in Ängsten.
Gib du ihnen deine Ruhe und deinen Frieden.

Herr, wir bitten dich für die in Fragen.
Gib du ihnen Stille zum Hören und Antworten danach.

Herr, wir bitten dich für die in Einsamkeit.
Gib du ihnen Gemeinschaft mit dir durch Jesus Christus.

Herr, wir bitten dich für uns,
nicht für das was wir wollen,
aber für das was wir brauchen.

Um all das bitten wir dich
im Verein mit der ganzen Christenheit,
der du bist unser Vater im Himmel...



www.christentum.ch/gottes_hand.htm


last update: 12.03.2010