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Predigt zum Fastensonntag 21. März 2004, gehalten von Pfarrer Jakob Vetsch
anlässlich des ökumenischen Gottesdienstes in der Kirche Zürich-Allerheiligen


Kein Brot ist hart

Der Text aus Matthäus 6,9-13 umfasst das bekannte "Unser Vater". Die Predigt bezieht sich auf den elften Vers: "Gib uns heute unser tägliches Brot." Ich lese die weniger geläufige Übersetzung "Hoffnung für Alle", damit wir den Sinn der Worte neu hören können:

"Ihr sollt deshalb so beten:
Unser Vater im Himmel!
Dein heiliger Name soll geehrt werden.
Richte bald deine Herrschaft bei uns auf.
Lass deinen Willen hier auf der Erde geschehen,
wie er im Himmel geschieht.
Gib uns auch heute wieder, was wir zum Leben brauchen.
Vergib uns unsere Schuld, wie wir denen vergeben,
die uns Unrecht getan haben.
Bewahre uns davor, dass wir dir untreu werden,
und befreie uns vom Bösen.
Denn dir gehören Herrschaft, Macht und Ehre für alle Zeiten.
Amen!"

Wenn ich an Brot denke, kommen mir spontan drei Dinge in den Sinn:

Im Prättigau hörte ich wiederholt den Satz:
"Hartes Brot ist nicht hart, kein Brot ist hart!"
"Kein Brot ist hart" ist doppeldeutig: Es gibt kein hartes Brot, jedes Brot ist nicht hart; oder: wenn man kein Brot hat, ist das hart.
Wir haben Brot!
Auch dieser geläufige Satz ist doppeldeutig: "Brot haben" sagt man auch für: Möglichkeiten haben.
Haben wir Möglichkeiten? Haben wir eine Chance? Haben wir eine Chance zum Leben? Wir, hier; wir alle, alle auf der Welt?
"Lebensgrundlagen für alle" heisst es im Motto der diesjährigen gemeinsamen Aktion Fastenopfer und Brot für Alle, ja, "Wir glauben. An sichere Lebensgrundlagen für alle!"
Wie kann man das tun?
"Hartes Brot ist nicht hart, kein Brot ist hart." Das ist vielleicht das Erste.

Das Zweite, das mir spontan in den Sinn kommt:
Einst sagte mir ein gläubiger, alter Bäcker voller Freuden:
"Wir Bäcker sind privilegiert, wir sind der einzige Berufsstand, der eine ganze Bitte im Unser Vater für sich in Anspruch nehmen kann!"
Ja, "Gib uns heute unser tägliches Brot." (Matthäus 6,11)
Die Hoffnung für Alle übersetzt sinnigerweise:
"Gib uns auch heute wieder, was wir zum Leben brauchen."
Wollen wir nicht oft mehr?
Und ist dies nicht ein Zweites, das wichtig wäre: "Was wir zum Leben brauchen."
Wenn nicht mehr und noch mehr und immer noch mehr gewünscht und dann eben von einigen wenigen auch gerafft wird, reichte es für alle!
Und ob es die Bäcker schätzen? Ich meine: Ob sie ihr Privileg mit der Bitte im Unser Vater schätzen?
Ich war mir lange Zeit nicht sicher. Bis ich letzthin entsprechende Werbung in der Stadt gesehen habe: "Das tägliche Brot." Eine klare Anspielung auf das einzige Gebet, das Jesus uns gegeben hat. Ein guter Weg. So darf man werben. Der Brotkonsum hat abgenommen. Weil viel anderes gegessen wird. Oft auch sehr ungesundes.

Und das Dritte, das mir spontan in den Sinn kommt:
Das alte Wort "Kumpan"! Ja, ein Kumpan ist ursprünglich der, mit dem man das Brot isst, das Pausen-Brot zum Beispiel. Französisch "copain", deutsch "Kumpan", beides stammt vom Lateinischen "con panis", wörtlich: "Mit-Brot". Ein  Kumpan ist einer, der mit uns das Brot isst und wir mit ihm, eben: Ein Mit-Brot.
Wenn wir wieder Mit-Brote wären, Mit-Brote in Christus, ich denke, dann hätten wir wieder Brot für alle, oder Reis für alle, sichere Lebensgrundlagen für alle. Dann brauchten wir nicht Angst zu haben. Auch viele unter uns haben Angst, Existenzangst, die einem das Leben raubt.
Dafür ist Christus nicht gestorben und auferstanden. Er will unser Mitbrot sein, dass auch wir Mitbrote sind, dass alle Brot haben, alle eine Chance, sichere Lebensgrundlagen für alle!

Ich denke an das Leben von Franz von Assisi. Da ging es immer wieder um Brot.
Seine Freundin in Christus hiess Jakoba. Nach dem Landsitz, auf dem sie wohnte, nannte man sie auch: de Settesoli (von den sieben Sonnen). Noch schöner ist ihr Familienname: Frangipani, brich das Brot! Ist das nicht ein wundervoller Name? Da ist der Name Lebensentwurf, das Programm für das Leben. Die Familie hiess so, weil ein Vorfahre von ihr viele Leute in der Stadt Rom gerettet hatte, als eine Hungersnot ausbrach. Er hiess Flavius Anicius und war ein echter Copain: Er hat sein Brot ausgeteilt und viele vom Hunger errettet.
"Sie erkannten Jesus beim Brotbrechen", heisst es von den Jüngern im Lukasevangelium (24,35). Wo man Copain ist, da ist Jesus dabei, da ist Gott ganz und gar da.
Jakoba Frangipani hat den heiligen Franz auch am Sterbebett besucht. Und sie hat nicht vergessen, seinen Lieblingskuchen mitzubringen. Sie kam mit dem Mandelhonigkuchen in der Hand. Eine echte Frangipani, eine echte Brich-das-Brot.

So greift die Liebe Gottes, so wird sie konkret, nimmt Gestalt an, so lebt das Brot. "Lebendiges Brot" ist unser Christus, wie er es von sich sagt im Johannesevangelium (6,51): "Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist. Wenn jemand von diesem Brot isst, wird er in Ewigkeit leben." Es geht um die Ewigkeit, die hier und jetzt beginnt.
Erst wenn seine frohe Botschaft zu unserer frohen Brotschaft (!) wird, können wir an sichere Lebensgrundlagen für alle glauben.



last update: 12.08.2015