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Bettler


Einstmals kamen zwei von den Brüdern des Franziskus (Bernardo und Egidio) nach Florenz. Sie hatten keine Unterkunft finden können, als sie bettelnd durch die Strassen zogen; schliesslich standen sie vor einem Hause, das unter den Arkaden einen Backofen hatte, und sie meinten zueinander: "Da werden wir einkehren können." 
Wie sie aber die Herrin des Hauses baten, ihnen in ihrem Haus Obdach zu gewähren, schlug sie es ab. Da baten sie demütig, man möge ihnen wenigstens erlauben, beim Backofen ihr Ruheplätzchen für die Nacht zu haben. Damit war jene einverstanden. 
Als nun ihr Mann nach Hause kam, sagte er zu ihr: "Warum hast du diesen Landstreichern gestattet, sich unter den Arkaden unseres Hauses einzunisten?" Sie gab zur Antwort, im Hause selbst hätte sie ihnen nicht Aufnahme geben mögen; draussen unter den Bögen, wo sie nur Hölzer mitnehmen könnten, habe sie ihnen nicht weigern wollen, sich hinzulegen. Dass sie aber Decken bekämen, wollte jener nicht, obschon es empfindlich kalt war. Er meinte eben, es seien Landstreicher und Diebe. Und so verbrachten sie ihre Nachtruhe am Backofen - in wahrlich nüchternem Schlafe, jedoch erwärmt von der göttlichen Glut und gehüllt in die Decken der Frau Armut. 
Dann kam der Morgen, und die beiden gingen in eine nahe Kirche, um am frühen Gottesdienst teilzunehmen. Als es Tag geworden, ging auch die Frau zur nämlichen Kirche, und da sie die Brüder dort voller Andacht und im Gebete verharren sah, sagte sie zu sich selbst: "Wenn diese Männer Landstreicher und Diebe wären, wie mein Mann es meinte, so würden sie nicht so fromm und so lange beten!" 
Soeben wie sie dies dachte, war ein Herr namens Guido daran, den Armen in der Kirche Almosen auszuspenden. Er kam auch zu den Brüdern. Aber als er ihnen wie auch den übrigen etwas geben wollte, wiesen sie es zurück: sie nähmen kein Geld. "Warum nicht?" sprach er, "Ihr seid doch arm und könntet gleich den andern die Münzen nehmen!" 
Bruder Bernardo erwiderte: "Es ist wohl wahr, wir sind arm; doch uns ist die Armut nicht so schwer wie den andern Armen. Wir sind durch Gottes Gnade und Rat aus freiem Willen arm geworden..." 
Als die Frau in ihrem Herzen erwog, wie jene das Geld zurückgewiesen, ging sie auf sie zu und sagte ihnen, sie würde mit Freude die Brüder aufnehmen, wenn sie bei ihr zu Gaste sein wollten. Sie gaben bescheiden zur Antwort: "Vergelt Euch Gott Euren guten Willen!" 
Da sich aber jener Herr Guido erbot, nahmen sie dankend an und weilten einige Tage bei ihm, durch ihr Beispiel und Wort ihn erbauend in der Furcht des Herrn. Und von da an gab er um so mehr für die Armen. 


last update: 16.09.2015