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Predigt vom Sonntag, 4. Januar 2015 in der Wasserkirche Zürich, von Pfr. Jakob Vetsch

Imitatio Christi – Einander annehmen

Predigttext: Römer 15,7 - Jahreslosung 2015
"Nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat, zur Ehre Gottes."

Liebe Gemeinde

Es sind die kleinen Momente, die aneinandergereiht unser Dasein prägen und wertvoll machen. Von ihnen zehren wir und auf sie zu leben wir.
Gegen Jahresende zupft ein erfahrener Freund, seines Zeichen Kunstschaffender, mich am Ärmel und erzählt mir mit heller Freude: "Weisst du schon, eine Religionslehrkraft fragte mal in die Runde, was findet ihr am besten bei Gott? Antwortet eine junge Frau: Jesus!"
"Hab gedacht, das könnest mal brauchen", zwinkert er mir noch zu, und ich begebe mich auf den Heimweg in die dunkle Nacht. Ja, das kann ich brauchen, geht es mir so durch den Kopf, für mich selber, und vielleicht werde ich's wirklich mal verwenden. "Das Beste von Gott: Jesus!" bewegt mein Herz, und umgekehrt geht's auch: "Jesus, das Beste von Gott."

Und dann was sich an einem Advent zugetragen hat an der Zürcher Bahnhofstrasse, eine wahre Begebenheit aus erster Hand:
Eine betagte Dame begegnet ein paar Meter vom St. Annahof entfernt einem älteren ausgemergelt wirkenden Mann. Sein Hund scheint nicht gerade wohlgenährt und liegt auf dem eiskalten Boden. Die Bise bläst giftig. Der Mann spielt hinreissend schön Saxophon. Die Beobachterin steckt ihm eine Zwanzigernote in die Jackentasche, damit die Gabe nicht vom Wind weggeblasen wird. Er solle noch eine Weile bleiben, sie komme nochmals, sagt sie ihm. – Sie verschwindet schnell im Geschäftshaus St. Annahof und kauft einen dicken Badezimmerteppich und einen Sack Futter für den Hund sowie einen Sack Guetzli für den Mann. Als sie mit diesen Sachen wieder beim Mann erscheint, laufen ihm die Tränen über die Wangen und er sagt: "Gott segne Sie."
Banal? – Nein, tief, denn da ist Christus ganz und gar mit dabei. "Was ihr einem dieser meiner Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan." (Matthäus 25,40) Ja, da segnet Gott, und die gute Tat strahlt aus und wirkt fort in den Kreislauf der Ewigkeit.

Dazu nun die Jahreslosung 2015 aus dem Römerbrief (15,7) vom Apostel Paulus: "Nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat, zur Ehre Gottes." Es war Streit entstanden um das Einhalten von Essensvorschriften, und was der Apostel dazu nach Rom schreibt, spricht Bände: "Du aber, was richtest du über deinen Bruder? Und du, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden alle vor den Richterstuhl Gottes treten müssen." – "Wir wollen einander also nicht mehr richten! Achtet vielmehr darauf, dem Bruder keinen Anstoss zu geben und ihn nicht zu verführen." – "Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Frieden und Freude im heiligen Geist." Die Schlussfolgerung lautet klar: "Wir wollen uns also einsetzen für das, was dem Frieden und der gegenseitigen Erbauung dient!"
Sodann folgt der Ruf zum gegenseitigen Annehmen wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes.

Es will uns jene Passage der Bergpredigt in den Sinn kommen, wo Jesus von einer absoluten christlichen Spezialität, der Feindesliebe, spricht: "Denn er (Gott) lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Denn wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr da erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüsst, was tut ihr da Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist." (Matthäus 5,44-48)
Solche Worte richteten sich an die Jüngerinnen und Jünger. Später jene des Apostels an die Gemeinden in der Anfangszeit des Christentums. Wir möchten meinen, sie seien heute nicht mehr nötig, aber dem ist keineswegs so.
Nach wie vor entstehen Meinungsverschiedenheiten in den Organisationen, im Staat und in den Familien, in der Gesellschaft und in den Kirchen auch – und manchmal gerade dort. Und überall ist es dasselbe: Wo es nur noch ums Rechthaben geht entstehen Streit und Krieg. Hat Recht, wer mehr liebt?

Wir könnten nun das grosse Wort Toleranz in den Mund nehmen, aber in der Jahreslosung ist von mehr die Rede; da erhalten wir nämlich zuerst etwas: Christus nimmt uns an und wir geben es weiter. Da ist mehr als Mittragen. Da sind wir aufgehoben in einem Kreislauf der Kräfte, in einer Gemeinschaft die über das Zeitliche hinausweist. Es geht auch auf einen Sinn zu, auf das Gotteslob hin.

Und immer wieder Jesus wie er die Geschichte vom grossen Gastmahl erzählte und vorausschickte: "Selig, wer im Reich Gottes essen wird." Alles war bereit, viele waren eingeladen, ebenso viele warteten mit Entschuldigungen auf. Das erzürnte den Gastgeber und er wies seinen Mitarbeiter an: "Geh schnell hinaus auf die Strassen und Gassen der Stadt und bring die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein!" (Lukas 14,15-24) Klar, was für Menschen das sind. Klar auch, dass wir alle gleichermassen willkommen sind in der Mitarbeit am Aufbau des Reiches Gottes. Gleich was uns fehlt oder hemmt oder blinde Flecken beschert. Christus nimmt uns an und dann werden wir doch so gut sein, einander auch anzunehmen sodass eine "win-win-situation" und kein zerstörerisches Hickhack entsteht.

Sagte einmal eine gläubige Frau: "Jesus fragt nicht woher wir kommen; er interessiert sich vielmehr dafür, wohin wir gehen." Beeindruckend, denn so macht man sich von Menschen nicht irgend ein Bild, sondern wir sind mit ihnen unterwegs, unterwegs in eine gute Richtung. Noch ein Blick in die Bibel, ins Johannes-Evangelium (13,34.35), ein Jesus-Wort: "Ein neues Gebot gebe ich euch: dass ihr einander liebt. Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: Wenn ihr bei euch der Liebe Raum gebt."
Ja, der Liebe Raum geben, auch und besonders dann, wenn etwas Unbequemes mitschwingt, wenn es nicht selbstverständlich und nicht bloss ein Tauschgeschäft ist.

Zum Schluss Gedichtsworte von Max Feigenwinter:

"Meinem Stern folgen – vertrauend, hoffend, mit offenen Sinnen, unterwegs bleiben.
Meinem Stern folgen – auch wenn mir der Weg zu lange, zu mühsam, zu schwierig scheint.
Meinem Weg folgen – so meine Aufgaben erfüllen, mein Ziel erreichen, neu leben."

Amen.



GOTTESDIENSTABLAUF

Orgel-Eingangsspiel

Grusswort:
"Keiner von uns lebt für sich selbst, und keiner stirbt für sich selbst. Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir nun leben oder sterben, wir gehören dem Herrn." (Römer 14,7-8)

Lied 160,1-3 ("Tut mir auf die schöne Pforte")

Gebet zur Sammlung (nach Christina Telker):
Herr, du hast mir so viel vergeben,
dass ich dir stets nur danken kann,
doch fällt es schwer in meinem Leben,
den Nächsten auch zu nehmen an.
So mancher Stein liegt da im Wege,
so manche Bitternis mich quält,
da hilft auch selbst kein guter Wille,
nur du allein die Wunden stillst.
Gern möchte ich deinem Beispiel folgen,
vergeben jedem, wer`s auch sei,
doch fehlt`s an Kraft oft für die Liebe,
ich bitte dich Herr, steh mir bei!
Schenk du mir Kraft zur Nächstenliebe,
hilf zu vergeben, wo es schwer,
aus deinem treuen Vaterherzen,
sende mir die Nächstenliebe her.
So kann ich einst vielleicht vergeben,
dem anderen auch seine Schuld,
weiss ich mich doch bei dir geborgen,
und angenommen mit Geduld.
Amen.

Als Lesung: Ein Gedicht von Manfred Günther
Wie nötig wär’s, einander anzunehmen,
so wie’s der Herr mit jedem Menschen tut.
Den, der uns lieb ist und den Unbequemen,
ihm etwas Licht zu geben, Kraft und Mut.
Denn viele sind im Dunkel, ohne Wärme
und tappen durch die Tage stumpf und blind
und wissen nicht wohin in dem Gelärme
der lauten Welt und wem sie wichtig sind.
Sie fragen – oft schon lang! – wofür sie leben
und wenn sie fehlten, endete der Lauf.
Wer, wenn nicht ich, kann ihnen Hoffnung geben?
Wen rührt ihr Los, wer hilft, wer richtet auf?
Es ist noch leicht ein Wort wie dies zu sagen:
"Gott liebt auch dich und kam für dich zur Welt!"
Schon schwieriger, selbst etwas mitzutragen,
was meinem Nächsten schwer zu tragen fällt.
Doch schenkt es Freude und des Höchsten Segen,
dem andern Helfer, Halt und Stütze sein,
um seiner Hoffnung willen Herz und Hände regen…
Er spürt’s an mir: Gott lässt mich nicht allein!
Gott wird mir täglich meine Kräfte mehren,
wenn ich des Nächsten Bruder, Schwester bin.
So dient mein Tun zu Gottes Lob und Ehre,
und meinem Leben schenkt es Glück und Sinn.

Lied 160,4-5 („Mache mich zum guten Lande“)

Predigttext: Römerbrief 14,7 (Römer 15,7)
"Nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat, zur Ehre Gottes."

1. Zwischenspiel der Orgel

PREDIGT: Imitatio Christi – Einander annehmen

2. Zwischenspiel der Orgel

Gebet (Fürbitten und Unser Vater)

Lied 409,1-3 ("O du fröhliche"; 2. Strophenhälfte nach altem Brauch jeweils wiederholen!)

Mitteilungen

Lied 343,1-4 ("Komm, Herr, segne uns")

Segen

Ausgangsspiel

 

last update: 22.03.2015