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Glauben - Senfkorn



Predigt zum Sonntag, 29. Mai 2016
  Wasserkirche Zürich, gehalten von Pfarrer Jakob Vetsch

Vom Glauben, so gross wie ein Senfkorn

Predigttext (Von der Kraft des Glaubens, Lukas 17,5-6)
Die Apostel sagten zum Herrn: "Gib uns mehr Glauben!" Der Herr aber sprach: "Hättet ihr Glauben wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiss dich samt Wurzeln aus und verpflanze dich ins Meer! – und er würde euch gehorchen."

Liebe Gemeinde

Vor einigen Jahren erschienen Kirchenleute aus Chicago in der ökumenischen und interreligiös gastfreundlichen Kirche im Einkaufs- und Freizeitzentrum Sihlcity im Quartier Wiedikon. Sie liessen sich dort das ergänzende kirchliche Seelsorgeangebot erklären und sagten dann zur Verwunderung der Anwesenden: "Das haben wir bei uns nicht!" Auf den Einwand, dass in ihrem Land doch schon lange Seelsorgepersonen auf dem Areal von Supermärkten tätig seien, präzisierten sie: "Ja, aber nicht mit den Symbolen aller fünf Weltreligionen."

Vor einigen Monaten erschienen Verantwortliche eines Schweizer Asylzentrums in der Kirche von Sihlcity, um sich zu erkundigen, wie bei ihnen ein Raum der Stille für alle Anwesenden eingerichtet werden könnte. Sie halten ein solches offenes spirituelles Angebot für sehr wichtig, denn sie machten die Beobachtung, dass viele Menschen kommen, welche noch nie eine zunehmende Mondsichel neben einem Kreuz gesehen haben; es ist ihnen völlig neu, dass es zwischen den Religionen und ihren Angehörigen ein friedliches Miteinander geben kann.

In unserem Land ist das möglich – und sogar sehr wichtig aufgrund unserer Bundesverfassung. Ihre Präambel beginnt mit den Worten: "Im Namen Gottes des Allmächtigen", damit das Fundament schon mal klar ist, und sie fährt fort: "Das Schweizervolk und die Kantone, in der Verantwortung gegenüber der Schöpfung, im Bestreben, den Bund zu erneuern, um Freiheit und Demokratie, Unabhängigkeit und Frieden in Solidarität und Offenheit gegenüber der Welt zu stärken, im Willen, in gegenseitiger Rücksichtnahme und Achtung ihre Vielfalt in der Einheit zu leben, im Bewusstsein der gemeinsamen Errungenschaften und der Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen, gewiss, dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht, und dass die Stärke des Volkes sich misst am Wohl der Schwachen, geben sich folgende Verfassung." Ja, so lautet gewissermassen das Programm unseres Landes. Ein solches Programm ist es wert, immer wieder vor Augen gehalten und in die Herzen der Menschen, die hier leben, geschrieben zu werden! Es soll uns auch eine schöne Aufgabe und eine ernste Pflicht sein, dies allen Menschen zu erklären und lieb zu machen, welche vorübergehend oder längere Zeit in den Städten und in den Dörfern unseres Landes leben.

Für die Ausübung des Glaubens ist sodann Artikel 15 der Schweizerischen Bundesverfassung massgebend. Er lautet: "Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet. Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen. Jede Person hat das Recht, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören und religiösem Unterricht zu folgen. Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen." Es herrscht also Glaubens- und Gewissensfreiheit, womit der religiöse Frieden bewahrt werden kann, sofern wir die Präambel und den Artikel 15 ernstnehmen, ausüben und daran festhalten. Das ist eine sehr ernste Sache.

Vor wenigen Tagen berichteten die Tageszeitungen (z.B. „Blick“ am 15.05.2016) unter dem Titel "Muslime gegen Christen; Religionskrieg in Flüchtlingsheimen", ich zitiere: "Den Religionsfrieden zu bewahren ist in den Institutionen für Migranten eine schwierige Aufgabe. Laut einer Studie sind in Deutschland gegen 40'000 christliche Flüchtlinge Gewalt und Drohungen ausgesetzt. Auch in der Schweiz werden Nichtmuslime diskriminiert. In den Flüchtlingsheimen herrscht ein Klima der Angst und Panik (...) Ein Flüchtling sagte, er sei schockiert: Eben sei er vor muslimischen Fundamentalisten geflohen, nun treffe er im deutschen Flüchtlingsheim wieder auf sie (...) Die Diskriminierung von Christen ist nicht nur in Deutschland ein Problem, auch in der Schweiz leiden Nichtmuslime in Flüchtlingszentren."

Soweit Zeitungsberichte. Wir mögen besonders betroffen sein, weil es tatsächlich viele Christen sind, die verfolgt werden und leiden müssen wegen ihres Glaubens, und zwar in einer Dimension, wie sie in der jüngsten Vergangenheit völlig fremd war. Nun reagieren viele Menschen so darauf, dass sie verstärkt nach den eigenen Wurzeln fragen, und darauf haben die Kirchen und Gemeinden zu antworten. Denn es gibt auch solche, denen das zu viel wird und unverständlich ist, wie jemand gerade im ersten Kommentar zum angeführten Zeitungsbericht empfiehlt: "Da rate ich euch allen, bekennt euch zum Atheismus, danach gibt es keine Probleme mehr. Man lässt jegliche Religion ihre Weise leben, urteilt objektiv und vor allem lebt man tolerant! Keine Angst beschleicht, dass man seine Werte verlieren könnte ..."
Unsere Bundesverfassung bezeugt, dass die Toleranz nicht nur im Bekenntnis zum Atheismus, sondern sehr wohl auch von überzeugten Religionsangehörigen gelebt werden kann. Es bleibt aber noch der Einwand der Resignierten: "Da kann man nichts mehr machen. Wir können da nichts ausrichten. Das entscheiden nicht du und ich." Ob da wohl unser Predigtwort vom "Glauben, so gross wie ein Senfkorn" zu greifen vermag?

Scharfe Worte fand Jesus gegen den Kleinglauben. In unserem Predigttext bei Lukas 17,5-6 lesen wir: "Hättet ihr Glauben wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiss dich samt Wurzeln aus und verpflanze dich ins Meer! – und er würde euch gehorchen."

Bei Matthäus 17,20 heisst es gar: "Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, werdet ihr zu diesem Berg sagen: Bewege dich von hier nach dort, und er wird sich wegbewegen; und nichts wird euch unmöglich sein."

Mit dem Christusglauben verhält es sich also so, dass wenig viel bewirken und dass Kleines enorm an Grösse gewinnen kann. Leben und bezeugen wir also unseren Glauben fröhlich und zugleich ernsthaft, mit aller Freiheit und ebenso überzeugt, mit Toleranz aber auch mit klaren Grenzen, die zur Verteidigung des Lebens und der Menschenwürde vonnöten sind.

Amen.



GOTTESDIENSTABLAUF

Eingangsspiel: Neapolitanisches Ständchen (An der Drehorgel: Peter Brunner, Zürich)

Grusswort:
Im Namen Gottes, der da ist Vater, Sohn und Heiliger Geist, Amen! Christus spricht zu seinen Jüngern: "Wer Euch hört, der hört mich; und wer Euch verachtet, der verachtet mich."
(Lukas 10,16)

Gebet zur Sammlung (Huub Oosterhuis, Lothar Zenetti):
Sprich Du das Wort, das tröstet und befreit
und das mich führt in deinen grossen Frieden.
Schliess auf das Land, das keine Grenzen kennt,
und lass mich unter deinen Kindern leben.
Sei Du mein täglich Brot, so wahr Du lebst.
Du bist mein Atem, wenn ich zu Dir bete.
Amen.

Lesung (aus Psalm 143):
Herr, höre mein Gebet, vernimm mein Flehen,
in deiner Treue erhöre mich, in deiner Gerechtigkeit.
Mein Geist verzagt in mir, das Herz erstarrt in meiner Brust.
Ich gedenke vergangener Tage, ich sinne über all dein Tun,
erwäge das Werk deiner Hände.
Ich breite meine Hände aus zu dir,
meine Seele dürstet nach dir wie lechzendes Land.
Herr, erhöre mich bald, es verschmachtet mein Geist,
verbirg dein Angesicht nicht vor mir.
Tue mir kund den Weg, den ich gehen soll,
denn zu dir erhebe ich meine Seele.

1. Zwischenspiel: Grüss Euch Gott, alle miteinander

Predigttext (Von der Kraft des Glaubens, Lukas 17,5-6)
Die Apostel sagten zum Herrn: "Gib uns mehr Glauben!" Der Herr aber sprach: "Hättet ihr Glauben wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Reiss dich samt Wurzeln aus und verpflanze dich ins Meer! – und er würde euch gehorchen."

PREDIGT: "Vom Glauben, so gross wie ein Senfkorn"

Brunner Peter Drehorgel.jpg

Peter Brunner, Zürich, an der Drehorgel
Foto: Jakob Vetsch, 16.09.2015

2. Zwischenspiel: Kaiserwalzer

Gebet: "Unser Vater"

Mitteilungen

Segen (aus Irland)
Möge Gott dir immer geben, was du brauchst:
Arbeit für deine fleissigen Hände,
Nahrung für deinen hungrigen Leib,
Antworten für deinen fragenden Geist,
Freude und Liebe für dein warmes Herz
und Frieden für deine suchende Seele.
Möge Gott weder deine Gesundheit
noch deine Vorräte und deine Arbeit verringern.
Amen.

Ausgangsspiel: Brindisi aus "La Traviata"


 
last update: 24.05.2016