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Predigt zu Auffahrt, den 21. Mai 2009, gehalten in der
St. Anna-Kapelle Zürich von Pfarrer Jakob Vetsch, Sihlcity-Kirche

Rechenschaft über die Hoffnung

"Den Herrn aber, Christus, haltet heilig in euren Herzen. Seid stets bereit, Rede und Antwort zu stehen, wenn jemand von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist."
1. Petrus 3,15


Liebe Gemeinde!

Vor zwei Wochen bereitete ich mich auf eine Begegnung mit Studentinnen und Studenten der Theologie an der Universität vor. Ich hatte ihnen vom Gemeindepfarramt und vom Spezialpfarramt zu berichten. Selbstverständlich konnte ich da viele Gedanken und Erfahrungen bereit legen und kam nicht in Verlegenheit.
Doch plötzlich ergriff mich die Frage: Was tue ich hier eigentlich? Und wenn ich bei den Studierenden der Theologie bin: Was tun wir hier eigentlich? Was ist das Fundament, der Ausgangspunkt? Welches ist das Ziel? Worum genau geht es? Wie heisst die theologische Begründung von all dem, was wir in den Kirchgemeinden und auch im Spezialpfarramt tun und anstreben?
Da fielen mir drei Stichworte aus dem ersten Petrusbrief ein, die da heissen: Verantwortung, Rechenschaft, Hoffnung. Und dass wir allezeit bereit dazu sein sollen. Es wurde mir das Wort aus der Heiligen Schrift zuteil, das ich der heutigen Predigt zugrunde gelegt habe: "Den Herrn aber, Christus, haltet heilig in euren Herzen. Seid stets bereit, Rede und Antwort zu stehen, wenn jemand von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist." Mir war sofort klar: Das ist es! Genau das ist es! Diesen Sätzen sind wir als Fachleute der Theologie, aber auch als Gläubige, verpflichtet! Mehr noch, von diesen Worten der Heiligen Schrift können wir ausgehen, und wir können sie auch als Massstab an unser Tun legen und uns daran orientieren. Ich entschied mich, meine Bibel aus Studienzeiten, die mich das ganze bisherige Pfarrerleben begleitet und ihren festen Platz auf meinem Arbeitspult hat, immer gleich zu meiner Rechten – also, ich entschied mich, die Bibelstelle gleich mit der Bibel mitzunehmen in den Seminarraum zu den Studentinnen und Studenten.

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Gleich zu Beginn erzählte ich ihnen von diesem meinem Erlebnis, ich las ihnen die Worte aus dem ersten Petrusbrief vor, und ich sagte dazu: "Von diesen Worten gehen wir aus in allem was wir tun. Sie bilden das Fundament und den Massstab für all unser Studieren und für all das was wir tun. Die Bibel ist unser Buch! In diesem Sinne sind wir Fundamentalisten, ja, in diesem guten Sinne."
Es wurde eine wunderbare Begegnung mit den Studentinnen und Studenten, und es war ein bereicherndes, aufbauendes, schönes, tiefes Zusammensein. Weil wir den Herrn Jesus Christus heilig halten in unseren Herzen. Und weil wir uns auf die Hoffnung besinnen, die er in uns legt. Immer wieder konnte ich in meinen Ausführungen, im Gespräch und beim Beantworten von Fragen auf diese wunderbare Bibelstelle hinweisen, die ja so vieles enthält.

Ein Student machte die Probe aufs Exempel und fragte, ob ich in jedem Seelsorgegespräch vom Gekreuzigt-Auferstandenen erzähle? Oft, gab ich zur Antwort, und mit Sicherheit rede ich in jedem Seelsorgegespräch aufgrund der Hoffnung, die uns der Gekreuzigt-Auferstandene gibt, und aufgrund des Glaubens an unseren Herrn Jesus Christus! Er ist das Zentrum unseres Glaubens, die Mitte unseres Lebens, die Orientierung auf unserem Weg. Wo er fehlt, wird jede Theologie blutleer. Wo er fehlt, wird jedes Gemeindeleben fade. Das ist die Gute Botschaft, die auch für uns gilt. Das ist das Evangelium für alle. Aufgrund unserer Hoffnung – nicht allein durch die Worte, die wir reden – aufgrund unserer Hoffnung halten Menschen inne, werden nachdenklich, gehen in sich, werden angesteckt – und folgen schliesslich dem Herrn nach, weil auch sie mit Hoffnung erfüllt wurden und der Glaube in ihnen wächst.

Und was trägt da Auffahrt bei? "Er sitzet zur Rechten Gottes" heisst es nun vom Gekreuzigt-Auferstandenen. Er ist mit guter Macht ausgerüstet. Rechnen wir mit ihm? Zählen wir auf ihn? Beten wir in solcher Dankbarkeit zu ihm? Richten wir unsere Bitten an ihn als solchen, der nun zur Rechten Gottes sitzt? Laden wir ihn immer wieder aufs Neue in unser persönliches Leben ein als den gekreuzigt-auferstandenen Herrn, der mit Macht versehen wurde?

Im Hebräerbrief 6,19 lesen wir: "Die Hoffnung haben wir als einen sicheren und festen Anker der Seele, der auch in das Innere des Vorhangs hineingeht." Aus dem Tschechischen erreichen uns die Worte:

"Augen, die mit Hoffnung sehen, sehen weiter.
Augen, die mit Liebe sehen, sehen tiefer.
Augen die mit Glauben sehen, sehen alles
in einem anderen Licht."

Vom Dichter und Übersetzer Friedrich Rückert hat ein einziges Lied Eingang in unser Kirchengesangbuch gefunden. Es ist das Adventslied 371 und trägt den Titel "Dein König kommt in niedern Hüllen." Rückert schrieb einst zur Hoffnung:
"Schlägt dir die Hoffnung fehl, nie fehle dir das Hoffen!
Ein Tor ist zugetan, doch tausend sind noch offen."

Ja, wir Christen sterben zwar mit Christus, aber wir auferstehen auch mit ihm. Dies wird in jedem Abendmahl versinnbildlicht durch die drei Schlücke, die wir vom Saft der Reben trinken. Sie erinnern an die Auferstehung am dritten Tag. Jeder unserer Gottesdienste ist eine kleine Osterfeier, eine Erinnerungsfeier an die Auferstehung unseres Herrn. An diesem grossen Geschehen dürfen wir teilhaben! Da dürfen wir mit dabei sein. Darauf bauen wir. Darauf vertrauen wir. Hier liegt unsere Hoffnung, die Kraft unseres Lebens.
Wir feiern fröhlich Auffahrt. Wir haben einen Fürsprecher bei Gott. Er sitzt zu seiner Rechten.

Amen.



Eingangsgebet


Guter Vater im Himmel

Wie machst du uns froh mit deinem Ruf zu dir zu kommen!
Dir erzählen wir wie es um uns steht,
was uns bewegt,
was uns schmerzt,
was uns freut –
für uns und für andere,
für uns und für unsere Liebsten,
für uns und für unsere Nächsten,
für uns und für unsere Fernsten.

Du lässt die Sonne scheinen über allen,
du bist gütig und hältst auch uns deine Gnade bereit.
Öffne unsere Herzen für das Wort und das Mahl,
öffne unsere Herzen für die guten Gaben,
die du uns bereitet hast.
Rede zu uns in der Predigt,
stärke uns im Abendmahl.
Sei auch bei allen, die gerne unter uns wären,
sei du auch bei denen, die uns vorausgegangen sind
und segne jene, die noch ankommen werden.

Amen.

last update: 17.08.2015