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Predigt zum Sonntag, 7. Juli 2013 um 10 Uhr in der St. Jakob Kirche Zürich, gehalten von Pfr. Jakob Vetsch

Vom Besuch des aufgehenden Lichtes aus der Höhe

Predigttext: Lukas 1,78-79
"Mit dem herzlichen Erbarmen unseres Gottes will uns das aufgehende Licht aus der Höhe besuchen, um zu leuchten denen, die in Finsternis sitzen und unsere Füsse auf den Weg des Friedens zu lenken."

Liebe Gemeinde

Im November 2007 fand die Einweihung des Glasfensters des hochbetagten Hans Erni in der Kirche von Sihlcity statt. Dabei wurde der Luzerner Künstler gefragt, warum er ein Pferd mit Flügeln, geschaffen habe? Dieses Tier komme schliesslich weder in der freien Natur noch in der Bibel vor.
Erni erwiderte: "Ich weiss, es ist der Pegasus aus der griechischen Mythologie, und ich habe ihn hineingemalt, weil der Mensch Geschichten braucht. Die Schweiz hat die Tell-Geschichte, und die sollte man nicht zerstören."

Aha, wir Menschen brauchen Geschichten. Das habe ich nicht vergessen. Wir leben eben auch in Geschichten, und es gibt auch unsere Lebensgeschichte. Oft verstehen wir eine Geschichte erst, wenn sie fertig erzählt ist. Daher erkennen wir viele Zusammenhänge erst, wenn sich das Leben von jemand Liebgewordenen abgerundet hat.

Wir Menschen brauchen Geschichten. Und dann kam als häufigste Frage – gerade auch von sehr jungen Menschen – die Frage nach dem Sinn des Lebens in der SMS-Seelsorge herein: "Warum lebe ich?" – "Wozu lebe ich?" – "Was macht mein Leben für einen Sinn?"
Jemanden versuchte ich einmal mit dem Satz aus Mozart's Zauberflöte zu trösten, an jener Stelle, da Papageno lebensmüde ist und sich umbringen will. Verweifelt singt er: "Gute Nacht, du schwarze Welt!" Er wiederholt: "Gute Nacht, du falsche Welt!". Dann singen ihm die drei weisen Knaben zu: "Halt ein, o Papageno! und sei klug. Man lebt nur einmal, dies sei dir genug."
Also schrieb ich da per SMS: "Bedenke, man lebt nur einmal!" – Und was erhalte ich zurück? Ich lese erschüttert: "Ja, und dieses eine Mal ist mir schon zu viel!" So bedrängend sind diese Fragen, so verzweifelt sind oft viele Menschen!

Und dann sind da die jungen Leute, welche die Kirche in Sihlcity besuchen und sich erwartungsfroh das Seelsorge-Angebot erklären lassen und ganz andächtig still werden in der Kapelle, in der alle willkommen sind und sich dort das Glasfenster von Hans Erni zeigen lassen.
Und ich höre mich zum Pegasus Hans Erni zitieren. Geschichten seien wichtig für unser Leben. Ja, ich erzähle ihnen, die Sinnfrage werde am häufigsten in der Seelsorge per SMS gestellt. Nun, da wir wissen, dass wir Geschichten brauchen, sei es eben so, dass unser Leben auch eine Geschichte sei und aus vielen Geschichten bestehe, und es sei sehr wichtig, dass wir immer wieder schauen, in einer guten Geschichte zu leben. Dafür sind der Glaube da, die Kirche, die Katecheten, die Jugendarbeiter, die Seelsorger und Pfarrpersonen. In einer guten Geschichte leben – darüber können und sollen wir mit Gott reden, damit wir in ihm leben, damit wir unser Leben nach seinem Willen gestalten und zusammen mit ihm und mit unseren Mitmenschen – immer wieder – in einer guten Geschichte leben.

Eine solche gute Geschichte hat mich zum heutigen Predigttext geführt. Er wurde mir neu geschenkt. Seine Worte sind ganz neu in mir aufgegangen.
Vor einigen Wochen hat sich das Leben einer 91-jährigen Zürcherin abgerundet. Sie hat auf mich immer einen sehr klaren, zielstrebigen Eindruck gemacht, bis zum Schluss. Naturverbunden hat sie gelebt, Gottesdienste besucht, Freundschaften gepflegt und gelesen.
Durch sie habe ich Einblick erhalten in den amerikanischen Wortdienst des DailyWord, und so habe ich zum Wort aus dem Lukas-Evangelium gefunden, das so herrlich und klar zu uns spricht:

"Mit dem herzlichen Erbarmen unseres Gottes will uns das aufgehende Licht aus der Höhe besuchen, um zu leuchten denen, die in Finsternis sitzen und unsere Füsse auf den Weg des Friedens lenken."

Es ist etwas Schönes, eine Bibelstelle auch einmal in einer anderen Sprache zu lesen und sie zu übersetzen. Da geht einem plötzlich auf, dass Besuch angemeldet ist! Das "aufgehende Licht aus der Höhe" will uns besuchen, "um zu leuchten denen, die in Finsternis sitzen und unsere Füsse auf den Weg des Friedens lenken."
So wunderbar ist das! Der Grund wird auch genannt, er besteht im „herzlichen Erbarmen unseres Gottes“. Nehmen wir das an? Machen wir uns bereit für den Besuch? Arbeiten wir an uns? – Das alles ist gar nicht selbstverständlich. Wir dürfen uns das immer wieder fragen, gleich welche Frömmigkeit wir bisher gepflegt oder nicht gepflegt haben.

Zum Predigttext waren im DailyWord Gedanken zu lesen, frei übersetzt lauten sie etwa so:

"Ich lösche meinen Wissensdurst und schöpfe aus der Quelle des Wissens in mir. Diese Quelle erschliesse ich mir durch Besinnung und Stille. Auf die göttliche Weisheit abgestimmt bewege ich mich jenseits intellektueller oder selbstgesteuerter Lösungen. Ich lasse das Selbsturteil darüber los, wie viel oder wie wenig ich wissen sollte, und ich versichere mich der Wahrheit: Ich bin gescheit und bewandert; ich weiss, was ich wissen muss.
In der Klarheit der Stille werden alle meine trüben Gedanken, die mich in der Lebensführung lähmen, weggeputzt. Es entsteht das innere Wissen, das sicherer ist als irgendein falscher Glaube. Zufrieden und im Klaren darüber was zu tun ist, handle ich nach der Führung, die ich erhalte, und ich schreite fort mit göttlichem Verstehen."

Es heisst da: "In der Klarheit der Stille." Das ist jene Stille, wo wir das Wort Gottes hören, das alles geschaffen hat und das uns leiten und führen möchte durch den Alltag des Lebens, durch seine Höhen und Tiefen, durch seine Gefahren und Chancen, durch seine Ängste und Freuden.
Es gibt da einen Gott, und er kennt uns. Er hat es gerne, wenn wir stille werden und uns dem öffnen, was er uns zu sagen hat. Er hat es gerne, wenn wir für seine Gaben dankbar sind und seinen Namen loben und preisen.
Wir sind diesem Gott nicht egal – im Gegenteil, wir sind begleitet von seinem "herzlichen Erbarmen", und wir wissen das ganz bestimmt, nämlich durch Jesus Christus, Amen!



EINGANGSGEBET

Guter Vater im Himmel

Erwartungsvoll kommen wir heute Morgen zu dir.
Was hast du uns zu sagen?
Was können wir dir anvertrauen?
Wofür dürfen wir beten?

Wir danken dir, dass du wieder mit uns warst
in der vergangenen Woche.
Dein Schutz und dein Segen waren spürbar.
Du kennst und liebst uns.

Öffne unsere Herzen für dein Wort,
das alles geschaffen hat und immer noch schafft,
jeden Tag neu,
in unserem Leben und auf der ganzen Welt.

Öffne unsere Herzen für die Gemeinschaft mit dir
und deinen Menschen, gleich wo sie leben,
gleich welcher Herkunft.
Sie sind unsere Schwestern und Brüder.

Segne diese Stunde des Zusammenseins
unter deinem Wort
an uns allen
und lasse es ausstrahlen an die Orte, die du wählst.

Amen.


FÜRBITTEN & UNSER VATER

Guter Gott

Heute denken wir an alle, die sich verloren haben
in diesem Leben,
an alle, die den Sinn ihres Daseins nicht wissen,
an alle, die nicht bei sich selber und in dir sind.

Erbarme dich ihrer.
Nimm sie in eine gute Geschichte mit dir.

Heute denken wir an alle, die durch Ängste
in Bann gezogen sind, an alle,
deren Kräfte absorbiert und reduziert sind
durch Panik und Demütigungen.

Erbarme dich ihrer.
Nimm sie in eine gute Geschichte mit dir.

Heute denken wir an die Jugendlichen,
an die Menschen mittleren Alters
und an unsere betagten Mitmenschen
sowie an ihre Angehörigen.

Erbarme dich ihrer.
Nimm sie in eine gute Geschichte mit dir.

Heute denken wir an alle Menschen,
die nicht in ihrer Heimat leben können,
an alle, die fliehen und liebe Nächste
zurücklassen mussten.

Erbarme dich ihrer.
Nimm sie in eine gute Geschichte mit dir.

In der Stille sagen wir dir, was unsere Herzen besonders bewegt...

All das fassen wir zusammen im einzigen Gebet, das uns der Herr Jesus selber gelehrt hat: UNSER VATER IM HIMMEL...



Predigt VOM BESUCH DES LICHTES im PDF-Format


last update: 18.05.2016